Interview mit Anke Fehring zu "Irgendwann mal werde ich ..."
Es gibt unendlich viele Wege, wie wir unser Leben tagtäglich verschlafen können. Anke Fehring hält uns in Irgendwann mal werde ich … einen Spiegel vor: Ausführlich geht sie auf zehn Varianten ein, wie wir uns gerne selbst ausbremsen: indem wir zum Beispiel das Leben von anderen mitleben oder uns unter Wert verkaufen. In folgendem Interview erzählt sie mehr über die Entstehungsgeschichte des Buches – und was ihre eigenen Erfahrungen damit zu tun haben.
In Ihrem Buch „Irgendwann mal werde ich…“ schreiben Sie darüber, warum Menschen ihre Träume oft nicht verwirklichen und sich stattdessen mit Serien, Diäten oder zu viel Arbeit betäuben. Was hat Sie auf das Thema gebracht?
Als Coach bin ich häufig damit konfrontiert, dass Menschen zwar Träume haben, diese aber nicht in Ziele verwandeln, indem sie wirklich etwas dafür tun. Dieses Verhalten kenne ich auch von mir selbst und konnte deswegen beim Schreiben sowohl auf meinen eigenen Erfahrungsschatz als auch die praktische Arbeit mit meinen Klienten zurückgreifen. Ich ertappe mich sogar ab und zu immer noch bei diesen Verhaltensweisen. Aber das ist gut! Denn das Ertappen ist immer der erste Schritt für Veränderung. Deswegen ist das Ziel des Buchs auch: dass man sich in den Geschichten wiedererkennt und Mut bekommt, die eigenen Ziele anzugehen.
Woran liegt es denn, dass wir uns lieber etwas vormachen, statt ehrlich einzugestehen, dass wir unzufrieden sind?
Das kann von Mensch zu Mensch ganz verschiedene Gründe haben. Ich arbeite als Coach mit dem Enneagramm, und da sehe ich zwischen den neun Typen schon große Unterschiede. Den Typ 9 zeichnet zum Beispiel eine gewisse Ego-Trägheit aus: Diese Menschen stellen die eigenen Wünsche immer hinter den Bedürfnissen der anderen zurück und sind ausgesprochen antriebslos, wenn es um sie selbst geht. Der Typ 1 will hingegen immer alles perfekt machen und geht deswegen oft seine Ziele gar nicht erst an. Natürlich gibt es noch mehr Ursachen und Wege als nur die neun aus dem Enneagramm. Da müssen wir sehr individuell auf unsere jeweiligen Muster schauen.
Haben Sie sich selbst schon bei einigen der Ausflüchte erwischt, die Sie im Buch beschreiben?
Und ob! Ich sage immer, dass ich sämtliche im Buch beschriebenen schon durchlebt habe, und das ist kaum übertrieben. Mein Lieblingsbeispiel ist, dass ich immer ein Buch schreiben wollte. Mit sieben Jahren habe ich das schon meiner besten Freundin erzählt und mein Leben lang immer Kurzgeschichten geschrieben. Doch die Idee für mein erstes Buch lag dann jahrelang in der Schublade, bevor ich es gewagt habe, diesen Traum in die Tat umzusetzen. Der letzte Impuls kam von einer Freundin, die mir erzählte, dass sie ein Buch geschrieben hat. Das hat so an mir genagt, dass ich in dem Moment erkannt habe, wie sehr ich mir das auch wünsche.
Wie viele solcher Weckrufe brauchen wir denn Ihrer Erfahrung nach, um unsere eigenen Ziele anzupacken?
Ich denke, wir müssen für eine Sache wirklich bereit sein, um sie umsetzen zu können. Ich habe wer weiß wie viele Umdrehungen gebraucht, um in meinen jetzigen Beruf als Coach zu finden, obwohl mir schon lange Zeit klar war, dass es das Richtige für mich ist. Trotzdem habe ich noch jahrelang als Kulturmanagerin weitergearbeitet und sogar noch eine Firma gegründet, bevor ich den Schritt zur Veränderung gewagt habe. Ich war einfach noch nicht bereit dafür und habe es mir auch ein Stück weit nicht zugetraut. Es braucht den richtigen Impuls zur richtigen Zeit.
Könnte Ihr Buch so ein Impuls sein?
Das wünsche ich mir sehr! In meinem Fall war es tatsächlich auch ein Selbstcoachingbuch, das den Ausschlag gegeben hat, meinen Beruf zu wechseln. Ich habe es während einer Zugfahrt durchgearbeitet und hatte dann schwarz auf weiß, dass ich mit Menschen arbeiten und mich mit Psychologie und Schreiben beschäftigen möchte. Geahnt hatte ich das natürlich vorher schon.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Tagträume ein wichtiger Hinweis auf unsere Ziele sein können. Inwiefern?
Unsere Träume wirken auf uns vielleicht unrealistisch, aber sie sind es oft gar nicht. So wie ich als Kind vom Bücherschreiben geträumt und jetzt tatsächlich schon mein drittes Buch veröffentlicht habe. Andere wünschen sich vielleicht ein Haus am Meer und glauben, das nie erreichen zu können. Da hilft es, hinter den Wunsch zu schauen: Ist es vielleicht nur das Bedürfnis nach Ruhe und Erholung, das dahintersteckt? Ich nenne das „Träume filtern“: zu schauen, was wir brauchen und das auch ernst nehmen – ohne gleich die Sachen zu packen und ans Meer zu ziehen. So können wir uns Träume durchaus heute schon in unser Leben holen. Und wenn es doch das Haus am Meer sein soll: Warum nicht? Ich habe das in 15 Jahren fest vor.
Sie geben in Ihrem Buch auch viel von sich selbst preis. Ist Ihnen das schwergefallen?
Nein, das ist einfach die Art, wie ich schreibe und erzähle und wie ich bin. Ich kann gar nicht anders. Wenn ich mich selbst öffne, helfe ich damit anderen, sich ebenfalls zu öffnen – und sei es auch nur sich selbst gegenüber. Ich finde es so schön, wenn ich das bewirken kann, dass mir das überhaupt nicht schwerfällt.
Haben Sie noch einen Tipp, was uns über die schwierige Coronazeit hinweghelfen könnte?
Gute Bücher lesen – das ist etwas, was uns allen gerade guttut. Ich glaube, dass viele von uns verlernt haben, was uns im ganz kleinen Rahmen glücklich macht. Und da sind wir jetzt alle hineingeworfen, das wieder wahrzunehmen. Ich merke das an mir selbst, aber auch bei meinen Klienten, dass sie auf einmal wieder bewusst genießen können zu lesen, zu kochen oder mit den Kindern zu spielen. Wo man sonst im Alltag vielleicht sagt: Das muss ich auch noch machen.