„60 Tools für den New Work Coach“ von Susanne Klein
New Work zu verordnen, ist nicht nur ein Widerspruch in sich – es funktioniert einfach nicht, sagt Susanne Klein in ihrem Buch 60 Tools für den New Work Coach. Es gibt Menschen, die möchten lieber auf Anordnung arbeiten und keine Verantwortung für ihre Ergebnisse übernehmen. Andere sind neugierig und haben Lust, sich auf ein Experiment einzulassen – eine Arbeitsgruppe in der Organisation, das wie ein kleines gallisches Dorf die Dinge anders tut. Und wenn es dort gut läuft, es den Menschen gut geht und die Ergebnisse stimmen, dann steigen weitere Gruppen und Teams darauf ein. So entwickelt sich nach und nach die gesamte Organisation weiter. Voraussetzung ist, dass die Leitung sich zuerst auf New Work ausrichtet. Sie entscheidet, mit welchen Elementen sie arbeiten will, erprobt Tools und findet so zu einem neuen Denken und Handeln. Nach diesem Vorbild können dann interessierte Einheiten folgen.
Wie ein New Work Coach mit der Unternehmensleitung zusammenarbeitet und welches Tool dafür unter anderem geeignet ist, lesen Sie in folgender Leseprobe:
Das Leitungsteam
Ein Unternehmen muss gut geführt werden, damit hierarchiefreies Arbeiten möglich wird. Deswegen kommt der Unternehmensleitung eine besondere Rolle zu. Je besser das Leitungsteam aufgestellt ist und agiert, umso mehr Selbstführung wird im gesamten Unternehmen möglich. Und auch wenn jeder mit jedem spricht und jeder seine Ideen einbringen kann, liegt doch ein besonderes Augenmerk darauf, wie das Leitungsteam funktioniert.
Die Unternehmensleitung braucht daher einen regelmäßigen Blick in einen ungetrübten Spiegel. Der Coach ist hier Frondeur oder Sparringspartner, da er das Bild nicht weichzeichnet. Er transportiert Eindrücke und gibt Einschätzungen der Mitarbeitenden zum Markt, zum Unternehmen selbst, zu Partnern und Kunden wieder. Er konfrontiert und beschreibt auch unangenehme Themen, denen sich das Leitungsteam stellen sollte. Darüber hinaus bringt er wesentliche Informationen ein, die die Unternehmensleitung selbst nicht wahrnehmen kann. Da er gemeinsam mit seinen Kollegen Eindrücke und Wahrnehmungen austauscht, bildet er in seinem Kopf Muster, die nur entstehen können, wenn intensiv mit Personen und Teams im Unternehmen gearbeitet wird. Dieses Erkennen und Wissen um Muster ist für die Unternehmensleitung eine besondere Quelle der Inspiration.
Seine zweite Aufgabe ist, die Kommunikation innerhalb des Leitungsteams zu beobachten und zu reflektieren. Dafür bedient er sich der gleichen Methodik, die er bei den Mitarbeitenden nutzt. Auch im Leitungsteam können Konflikte auftreten, sich Einschätzungen unterscheiden oder es wird um Entscheidungen gerungen. Der Coach fungiert hier als Beobachtender und als Mediator. Immer im Sinne des unternehmerischen Handelns und des Resultats.
Die dritte Aufgabe besteht darin, gemeinsam mit der Unternehmensleitung Kultur und Korridor (siehe Tool 2) des Unternehmens zu definieren und zu transportieren. Für diese Themen braucht es Einigkeit im Leitungsteam und mit dem Coachteam. Denn die Umsetzung der Kultur wird vom Leitungsteam gelebt, vom Coach transportiert und von Mitarbeitenden aufgenommen und umgesetzt. Unternehmensleitung und Coachs suchen dementsprechend Menschen zum Onboarding, die in dieses Kulturverständnis hineinpassen. Und in den ersten Wochen des Onboardings nimmt sich die Unternehmensleitung sehr viel Zeit für die einzelnen Neuankömmlinge, um ihnen Philosophie, Werte und Kollaborationsform zu vermitteln. Auch der Coach unterstützt hier, aber die Unternehmensleitung kann diese Aufgabe nicht vollständig abgeben.
Tool 1: Komische Phänomene
Reden wird überschätzt. Menschen nehmen das, was sie sehen und erleben, sehr viel stärker wahr als das, was gesprochen wird. Wenn sich Reden und Erleben widersprechen, dann setzen wir auf das Erleben. Und wir kopieren auch eher Verhalten als Worte. Deswegen ist es in jeder Funktion im Unternehmen wichtig, darauf zu achten, wie das Handeln auf andere wirkt. Oft bleiben wir gedanklich in der Absicht stecken. Wir überlegen, was wir möchten, und setzen es um. Dann sind wir schon zufrieden. Nach der Handlung aufmerksam zu bleiben und die Wirkung zu betrachten, macht das Miteinander erfolgreich. Denn dann lernt man, wie sich Absicht und Wirkung unterscheiden und was es tatsächlich braucht, um eine gewünschte Wirkung zu erzielen.
Im Unternehmen kann es zu komischen Phänomenen kommen. Ein rüder Umgangston macht sich breit, Unpünktlichkeit wird zur Tagesordnung, man gibt sich überlastet, Fokus geht verloren und vieles mehr. Was Unternehmensleitung und Führungskräfte oft wundert, haben sie manchmal selbst mit verursacht, bemerken das aber nicht. Sie beobachten zwar die Wirkungen, führen das Phänomen aber nicht auf ihr eigenes Verhalten zurück.
Da die Unternehmensleitung im besonderen Fokus steht und sie besonders aufmerksam beobachtet wird, potenziert sich hier die Wirkung des Handelns. Deswegen lohnt es sich, als Coach genau zu beobachten und allen Führungspersonen im Unternehmen zu helfen, diese Zusammenhänge erkennen und verstehen zu können.
Ziel
Der Coach macht der Unternehmensleitung bewusst, wie ihr Auftreten ankommt und welche komischen Phänomene sie mitverursacht.
Story
„Ich verstehe gar nicht, warum alle in letzter Zeit hier mit einem trüben Gesicht herumlaufen. Macht ihnen denn die Arbeit keinen Spaß mehr?“ Marc zeigt sich etwas irritiert. Und weil er von Justus, seinem Coach, schon gelernt hat, dass Mitarbeitende sich sehr am Vorbild der Unternehmensleitung orientieren, packt er auch gleich Hannah am Wickel: „Warum schaust du so ernst, Hannah?“ Ihm gefällt nicht, dass Hannah seit einiger Zeit mit einem sehr ernsten Gesicht durch die Gegend läuft. Was ist das denn für ein Vorbild?! Diese ernste Stimmung überträgt sich bereits auf die gesamte Mannschaft. Deswegen treffen sich die drei heute zu einer Solution Session, um eine Vorgehensweise zur aktuellen Lage zu entwickeln. Denn die Zahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Justus, Marc und Hannah schauen sich ihr Auftreten in aller Form an: Face-to-Face, Chats, Mails, Sessions. „Das Regenwetter, das du in Hannahs Gesicht siehst, trägst du selbst auch spazieren“, bringt Justus es auf den Punkt. „Wie meinst du das konkret?“, fragt Marc nach. „Na ja, lies mal diese Mail. Da schießt nun nicht gerade die Zuversicht raus. Aber weißt du“, fährt Justus fort, „vielleicht ist es gar nicht so wichtig, zuversichtlich dazustehen und so zu tun, als stünde man über allem ... Vielleicht gibt es dazu auch eine Alternative?“ „So betrachtet“, meint Hannah, „könnten wir die Situation auch ehrlich mit allen teilen und gemeinsam mit ihnen schauen, wie wir wieder Oberwasser erhalten.“ Marc unterstützt das. Vielleicht haben die Menschen ja auch in seinen Augen gelesen. Da er in letzter Zeit schlecht schläft, wundert ihn nicht, dass von seiner Irritation etwas ankommt. Gemeinsam arbeiten sie einen Plan aus, wie sie authentisch und gleichermaßen souverän mit der Situation umgehen möchten.
Ablauf
Das Tool beginnt mit der Formulierung des Ziels: Wie möchte das Leitungsteam wahrgenommen werden? Das Tool hat vier Phasen.
Phase 1: Komische Phänomene
Unternehmensleitung und Coach tauschen sich über komische Phänomene aus. Damit sind Phänomene in der Zusammenarbeit gemeint, die ungewöhnlich erscheinen oder wenig produktiv sind. Sie sind hinderlich, vielleicht sogar ärgerlich.
Phase 2: Der Coach befragt die Unternehmensleitung
- Wie genau fühlt und denkt ihr dazu?
- Was bewegt euch?
- Worüber denkt ihr nach, wenn ihr am Abend nach Hause fahrt?
- Was ist beim Aufwachen euer erster Gedanke?
- Worüber habt ihr keine Lust, nachzudenken?
Phase 3: Feedback
Der Coach formuliert seine Beobachtungen zu Auftreten und Wirkung als Feedback. „Möglicherweise nehmen die Menschen auch das wahr, was ich wahrnehme, nämlich ...“.
Um die Phasen 4 und 5 sowie viele weitere Tools kennenzulernen, lesen Sie 60 Tools für den New Work Coach von Susanne Klein. Das Buch liefert einen umfänglichen und übersichtlichen Werkzeugkasten für alle, die mit der Einführung und Umsetzung von New-Work-Techniken beschäftigt sind. Auch Trainer, Coachs, Moderierende und Scrum Master können sich von den Tools inspirieren lassen und sie in ihren Kontexten und für ihre Herausforderungen nutzen.
Susanne Klein hat zuvor bereits zahlreiche Titel bei GABAL veröffentlicht, unter anderem: Kein Mensch braucht Führung, 50 Praxistools für Trainer, Berater und Coachs sowie Rein in die Führung. Auf ihrer Website www.susanne-klein.net erfahren sie mehr über die Bücher der Autorin sowie ihre Arbeit als Trainerin, Keynote Speakerin und Coach.
Susanne Klein
Bei der Begleitung von Unternehmen in Change-Prozessen steht New Work an erster Stelle. Eine Entwicklung in diese Richtung bedarf einer kompetenten und aufmerksamen Unterstützung durch einen New Work Coach. Dr. Susanne Klein reflektiert auf diesem Weg Einzelne und Teams, gibt ihnen Tools an die Hand, mit denen sie ihre Denk- und Verhaltensmuster zu einer New-Work-Kultur weiterentwickeln können. Die promovierte Psycholinguistin und Master Coach ist Beraterin, Coach, Speaker sowie Vorstand Akkreditierung im European Mentoring and Coaching Council (EMCC) und entwickelt mit ihren Kunden neue Konzepte der Führung und Zusammenarbeit. Für ihre Leadership-Coach-Ausbildung für die Deutsche Telekom hat sie 2012 den internationalen EMCC Ausbildungspreis gewonnen. Sie betreibt in Darmstadt ihr Coaching College, in dem sie bereits mehr als 300 Führungskräfte zu Coachs ausgebildet hat. Sie arbeitet als Business und New Work Coach in verschiedenen Unternehmen. Bei GABAL hat sie Bücher zu den Themen Führung, Coaching, Training und Konfliktmanagement veröffentlicht.