"Querdenker verzweifelt gesucht" von Anne M. Schüller

Viele Unternehmen wünschen sich Mitarbeiter mit frischen Ideen und neuen Perspektiven. Diese Querdenker sind wild, verbreiten Freude, strahlen Energie aus und denken vor allem innovativ um die Ecke. Gleichzeitig seufzen alle, dass sie so anstrengend sind! Sie geben keine Ruhe, gehen sorglos mit Geld um und am schlimmsten: Sie gehorchen nicht. Warum Querdenker Unternehmen gerade deshalb nach vorne bringen können, lesen Sie in Querdenker verzweifelt gesucht von Anne M. Schüller – und in folgender Leseprobe.

„Quer“ wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil

»Quer« wird in Zukunft zu einem maßgeblichen Stichwort in der organisationalen Struktur. Kollaborative Innovationen entstehen interdisziplinär. Kundenprojekte werden in fachübergreifenden Teams entwickelt. Prozesse werden crossfunktional optimiert. Bürokratie muss bereichsüberlappend abgebaut werden. Die Digitalisierung läuft sowieso quer durch das gesamte Unternehmen, sie betrifft alles und jeden. Mit der Agilisierung ist es das Gleiche: Sie muss jeden Winkel im Unternehmen erfassen. Auch eine Kundenreise, die Customer-Journey, verläuft immer quer durch die Unternehmenslandschaft über mehrere Abteilungsgrenzen hinweg.

Klassische Unternehmen hingegen agieren noch immer im Rahmen von voneinander abgegrenzten Silostrukturen. Die Hauptaktionsrichtung verläuft dabei vertikal, also top-down und wieder zurück. Das passt nicht zusammen. Wenn sich in der Außenwelt alles miteinander vernetzt, dann muss das auch drinnen in den Unternehmen passieren. Funktionssilos sind organisationale Anomalien. Sie stehen für Abschottung und Isolation, Netzwerke hingegen für Zusammenarbeit und eine Rundum-Perspektive. Deshalb müssen nicht nur Hierarchien verflacht, sondern vor allem bestehende Silos abgebaut werden. Die Interdisziplinären, die Generalisten und Horizontal-durch-das Unternehmen-Agierer spielen dabei eine entscheidende Rolle. Insofern sind Querdenker auch Silosprenger. Doch nicht jeder Silobewohner wird sich darüber freuen.

Gute Querdenker sind fürs Entrümpeln und für Pioniervorhaben gleichermaßen gut geeignet. Sie brechen mit überholten Routinen und machen die Dinge sehr anders, viel besser, ganz neu. Die Änderungsdynamik muss dabei in zwei Richtungen gehen:

  • Schritt-für-Schritt-Optimierungen im Sinne von Change,
  • Musterwechsel im Sinne von Transformation und Disruption.

Querdenker sind für diese Zwecke genau die Richtigen. Ihre Initiativen sollte man nicht nur tolerieren, sondern quer durch das gesamte Unternehmen aktiv initiieren. Wie man die notwendige Basis dafür schafft, erfahren Sie in den Kapiteln zwei bis vier. Bei fortlaufenden Optimierungsmaßnahmen können Querdenker-Hacks und Querdenker-Taskforces helfen, mehr dazu in Kapitel fünf. Für die ganz großen Umbruchprojekte, die einen Musterwechsel im Sinne neuer Arbeits- und Geschäftsmodelle hervorbringen sollen, werden vornehmlich Querdenker-Circles und Innovationslabore gebraucht.

Ergebnisoffenheit ist bei alldem eine Grundbedingung. Denn niemand, wirklich niemand kennt die Zukunft. In einem zugleich komplexen, dynamischen und unvorhersehbaren Umfeld ist es unmöglich, im Voraus zu wissen, was funktionieren wird und was nicht. Am Anfang einer neuen Ära oder Technologie lässt sich höchstens erahnen, wo sie uns hinführt. »Innovationen sind das Leben, das wir noch vor uns haben«, schreibt der Publizist Wolf Lotter.11 Jede Innovation ist zugleich Anstoß für weitere Innovationen. Doch Märkte, die noch nicht existieren, können nicht analysiert, höchstens hoffnungsvoll voreingeschätzt werden. Ein Albtraum für den Controller. Der will keine Abenteuer, sondern exakte Zahlen und einen vorgezeichneten Plan, sozusagen eine Vollkaskoversicherung für neue Ideen. Das zwingt alle im Unternehmen zu Kleinmut und Ausbremseritis. Doch im Neuland gibt es keine Erfolgsgarantien.

Warum es vielen so schwerfällt, Querdenker zu akzeptieren

Bestehende Systeme haben, wie wir schon sahen, eine ausgeprägte Tendenz, die ihnen innewohnende Ordnung zu erhalten. Insofern scheitern Innovationssprünge, meint Gunter Dueck, der das Vorwort geschrieben hat (und den das Wirtschaftsmagazin brand eins als profiliertesten Querdenker des Landes bezeichnet), weil die Unternehmen sie »sofort in die festen Prozesse ihrer schon lange bestehenden Organisationen hineinpressen wollen. Sie stülpen die alte verhärtete Form über das Neue.«

Start-ups, die in ein traditionelles Unternehmen inkorporiert werden, können ein Lied davon singen. Meist beginnt das Ganze damit, dass ein Bürokratiemonster sie heimsucht, was die eigentliche Arbeit wochenlang völlig blockiert – und aus Kundensicht Stillstand bedeutet. Meeting-Marathons, endlose Abstimmungsprozesse, umfängliche Planungsrunden, Zuständigkeitswirrwarr, Reportingexzesse, vertagte Entscheidungen, Machtkämpfe, Grabenkriege, zermürbende Debatten mit Bedenkenträgern, kurz, die ganze Palette dessen, was in einer »normalen« Company Usus ist, fällt über das arme Start-up her. Von Höchstleistungen kann schon bald keine Rede mehr sein. Kluge Köpfe lassen sich eben nicht gängeln. Im falschen Umfeld gehen sie ein wie die Primeln. Oder sie verlassen das Unternehmen zum erstbesten Zeitpunkt. Auch die Kunden fühlen sich bei den neuen Eigentümern nicht mehr wohl und ziehen von dannen. So machen Old-School-Unternehmen die wunderbaren »Spielzeuge«, die sie erworben haben, Stück für Stück einfach kaputt. Was bleibt, ist eine leere Hülle.

In einem erstarrten System fehlen Leichtigkeit und Dynamik. Nichts wird mehr gewagt, was schiefgehen könnte. Und je länger das anhält, desto schwerer wird es, das Ruder herumzureißen. Jeder weiß doch, wie mühsam es ist, etwas Größeres aus dem Stillstand heraus in Bewegung zu bringen, und wie einfach es ist, Bewegung zu ändern, wenn alles fließt. Das Geheimnis besteht also darin, immer in Bewegung zu bleiben. Wird hingegen alles nach Plan geregelt und werden die Angestellten für Linientreue belohnt, ist es nur logisch, dass es in einer solchen Firma nur wenige Talente mit Querdenkermentalität gibt. Die Command-&-Control-Diktatur rächt sich. Wem immer alles vorgedacht wurde, der hat das Mitdenken verlernt. Dann darf sich eine solche Firma auch nicht wundern, wenn sie in ein paar Jahren nicht mehr existiert. Denn wer stehen bleibt, fällt in schnellen Märkten sofort zurück.

In traditionellen Unternehmen sind die Manager keine Rebellen, sondern allenfalls Optimierer, weil das System, in dem sie Verantwortung tragen, Wagemut nicht belohnt. Ideenlosigkeit, Risikoscheue und Zögerlichkeit sind die Folge. Sie drehen an kleinen Schräubchen, aber nicht am großen Rad. Sie favorisieren Innovatiönchen, aber keine komplette Neuorientierung. So hat Bahnbrechendes in etablierten Organisationen sehr schlechte Karten. Doch mit schlechten Karten verliert man ein Spiel. Wer den Status quo einbetoniert, wird aussortiert: von Kunden, die mehr wollen als das, was es gestern schon gab – und von den »jungen Wilden«, die solche Kunden verstehen.

Sie wollen mehr über Querdenker und ihre Qualitäten erfahren? Warum die Zukunft der Unternehmen in den Händen unkonventioneller Ideengeber liegt, lesen Sie in Querdenker verzweifelt gesucht von Bestsellerautorin Anne M. Schüller.

Anne M. Schüller

Anne M. Schüller kennt die klassischen Unternehmensstrukturen aus dem Effeff. Weit über zwanzig Jahre lang hat sie in leitenden Positionen internationaler Dienstleistungsunternehmen gearbeitet. „Ich war schon immer eine Querdenkerin. In manchen Unternehmen konnte ich mit frischen Gedanken und unkonventionellem Tun wirklich Großes bewirken. Manchmal bin ich auch kläglich gescheitert: hier und da an Strukturen, meist aber an Menschen, die Altes bewahren wollten und Neues als Bedrohung empfanden“, sagt sie.

2002 hat sie sich aus der Konzernwelt verabschiedet. Seitdem arbeitet sie als Keynote-Speaker, Managementdenker und Business-Coach. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft im deutschsprachigen Raum. Ferner hat sie eine Reihe von Büchern geschrieben, in denen es, aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, immer um das Zusammenspiel zwischen Kunde, Mitarbeiter und Organisation geht. Kundenfokussierte Unternehmensführung ist der Oberbegriff, den sie dafür geprägt hat.

Ihre Bücher sind nicht nur Bestseller, sondern auch preisgekrönt: Kundennähe in der Chefetage erhielt 2008 den Schweizer Wirtschaftsbuchpreis. Touchpoints ist Mittelstandsbuch des Jahres 2012. Das Touchpoint-Unternehmen wurde zum Managementbuch des Jahres 2014 gekürt. Touch.Point.Sieg. ist Trainerbuch des Jahres 2016. Die Orbit-Organisation wurde Finalist beim International Book Award 2019 von GetAbstract. Für ihre Arbeit hat sie viele weitere Auszeichnungen erhalten. So wurde sie 2015 für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association ausgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur TOP-Voice 2017/2018 und von Xing zum Spitzenwriter 2018 gekürt. Von Gabal erhielt sie den BestBusinessBook Award 2019.

Ihre Vorträge rund um Digitalisierung und Menschlichkeit, eine zeitgemäße Unternehmensführung mithilfe des Orbit-Modells und eine beispielhafte Kundenorientierung sind Kult: zugleich hochinformativ, praxisnah und unterhaltsam. Sie führt auch Management-Transformationsseminare und Mitarbeiter-Großgruppenworkshops durch. Zudem bildet sie zertifizierte Touchpoint-Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.