"Lass mal andere arbeiten!" von Cordula Nussbaum

Die meisten Menschen haben mehr Aufgaben auf der To-do-Liste, als sie realistisch betrachtet bewältigen können. Selbst perfekt organisierten Menschen reichen die 24 Stunden am Tag oft nicht aus, denn auch mit mehr Tempo, permanenter Erreichbarkeit, Effizienz oder technischen Hilfsmitteln ist das Pensum an Arbeit nicht (mehr) zu stemmen. Im Gegenteil: Smartphone, E-Mail, WhatsApp und soziale Medien haben unser Zeitproblem nur noch verschärft. Wie naheliegend wäre es da, Aufgaben mal abzugeben? Mal andere arbeiten zu lassen? Doch vielen Menschen fällt es schwer, Arbeit zu delegieren. Die Gründe dafür sind vielfältig – vom Perfektionismus über Kontrollzwang bis hin zu falsch verstandener Nettigkeit.

Cordula Nussbaum ist überzeugt: Damit wir erfolgreich Aufgaben abgeben können, die gut, zuverlässig und pünktlich zur Zufriedenheit aller erledigt werden, sind zwei Grundvoraussetzungen zu erfüllen: Wir müssen wirklich in der Tiefe unseres Herzens abgeben wollen. Und wir brauchen die nötigen Prinzipien und Methoden dazu. In folgender Leseprobe aus ihrem Buch Lass mal andere arbeiten! erklärt die Autorin, warum erfolgreiches LMAA nur funktioniert, wenn das WOLLEN und das KÖNNEN stimmen:

Innere Haltung – Schlüssel zu Top oder Flop

Wenn wir in Anbetracht unserer vollen Tage zu wenig Aufgaben abgeben oder Tätigkeiten zwar delegieren, aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, dann kann es sein, dass wir im tiefsten Inneren unseres Herzens »eigentlich« gar nicht abgeben wollen.

Und wenn wir »eigentlich« gar nicht abgeben wollen, ist es kein Wunder, wenn wir es nicht tun. Oder auf so eine Weise abgeben, dass es gar nicht klappen kann. Wir sabotieren unseren eigenen Erfolg.

»So ein Blödsinn!«, rufst Du jetzt vielleicht empört. »Ich will sehr wohl Aufgaben abgeben, aber es funktioniert halt einfach nie so gut, wie ich mir das vorstelle!« Ja, es kann sein, dass Du denkst, dass Du willst. Das ist ja genau das Blöde an unseren inneren Sabotage-Programmen: Sie laufen unbewusst ab! Sie torpedieren klammheimlich unsere äußeren Bemühungen und verändern Nuancen in unserem Verhalten. Nuancen, die dann aber über Top oder Flop beim Delegieren entscheiden.

Das Geheimnis dahinter nennt sich »kognitive Dissonanz«. Kognitionen sind mentale Ereignisse wie beispielsweise unsere Gedanken, Einstellungen, Überzeugungen und Wünsche sowie unsere Wahrnehmungen auf all unseren Kanälen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen), die mit einer Bewertung einhergehen. Häufig entstehen zwischen diesen Kognitionen Konflikte (»Dissonanzen«) – und das mögen wir überhaupt nicht. Von Natur aus streben wir danach, all unsere Kognitionen in Einklang zu bringen, denn wissenschaftlich belegt, erzeugt es eine immense Spannung in uns, wenn hier eine Kluft besteht.

Vielleicht kennst Du das von Deinen Neujahrsvorsätzen: Du hast Dir ganz, ganz fest vorgenommen, ab dem 2. Januar täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren und von Montag bis Freitagabend auf Dein übliches Gläschen Rotwein zu verzichten. Und jetzt ertappst Du Dich am 9. Januar, wie Du abends einen guten Tropfen entkorkst, und Dein Blick fällt auf das Fahrrad im Flur, bei dem zunächst mal der Vorderreifen aufgepumpt werden müsste, bevor Du Dich auf den Drahtesel schwingen kannst. Genau in dieser Situation entsteht eine kognitive Dissonanz zwischen Deinen Wünschen und der erlebten Realität. Kein schönes Gefühl, oder?

Kognitive Dissonanzen auflösen

Prinzipiell hast Du jetzt drei Möglichkeiten, diese kognitive Dissonanz aufzulösen.

Erste Möglichkeit – die menschliche Variante: Du redest Dir Dein Verhalten schön oder biegst Dir die »Wahrheit« so zurecht, dass sie Deinem Weltbild entspricht. Einfach indem Du Dich an eine Studie erinnerst, die sagt: »Ein Glas Rotwein pro Tag fördert die Gesundheit und schützt vor Herzerkrankungen.« Und mehr als ein Glas wird es ja heute sicher auch nicht werden. Obwohl – der edle Tropfen darf ja nicht verkommen, und bis zum Wochenende schmeckt der ja nicht mehr. Prost! Und Fahrradfahren? Ist in der City eh ungesund bei all den Abgasen! Nach guter alter Pippi- Langstrumpf-Manier (»Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt!«) hast Du Dein Verhalten jetzt prima gerechtfertigt und lässt Dir den nächsten Schluck so richtig schmecken.

Zweite Möglichkeit – die sportliche Variante: Du veränderst Dein Verhalten. In dem Moment, in dem Du Dich dabei ertappst, wie Du etwas tust, was Du »eigentlich« nicht tun willst, stöpselst Du die Flasche wieder zu, holst die Luftpumpe, pumpst den Vorderreifen auf und drehst fünf Ehrenrunden um den Häuserblock. Lächelnd drehst Du dabei auch Deinem inneren Schweinehund eine lange Nase und bist stolz auf Dich, dass Du es geschafft hast.

Dritte Möglichkeit – die schwierigste Variante: Du veränderst grundlegend Deine Einstellung zu den Themen, die Dich immer wieder zu einem Verhalten führen, das Du so nicht (mehr) willst. Das bedeutet, Du veränderst Deine innere Haltung auf eine Weise, dass Dein »eigentlich« gewünschtes Verhalten sich völlig natürlich und richtig gut anfühlt. In Bezug auf Deine Neujahrsvorsätze sagt Dir nicht mehr Dein Kopf, dass Du weniger trinken, aber mehr radeln solltest, sondern jetzt es ist Dein innerer Drang, der Dir hilft, leidige Gewohnheiten zu verändern. Ab dem Moment, in dem Du Deine Einstellung tiefgreifend verändert hast, ist es überhaupt nicht mehr anstrengend, ein neues gewünschtes Verhalten an den Tag zu legen. Jetzt entspringt es ganz und gar Deinem Naturell. Einstellungen zu verändern ist ein gutes Stück Arbeit – aber es lohnt sich.

Einstellung zu »Tu Du!« verändern

Besonders bei den Themen »Delegieren«, »Zusammenarbeiten im Team« und »Aufgaben-Abgeben« tragen viele Menschen limitierende Überzeugungen und Glaubenssätze in sich, die ein erfolgreiches LMAA (Lass Mal Andere Arbeiten) bereits im Ansatz torpedieren.

  • Da wollen Chefs und Chefinnen, dass alles über ihren Schreibtisch läuft, und entwickeln sich so zum Flaschenhals im Team, in dem Projekte und Entscheidungen festhängen.
  • Da gibt es Projektleiter, die jeden Teilschritt eines Projektes selbst kontrollieren – eine Zeitverschwendung auf beiden Seiten plus eine große Demotivation für die Kollegen.
  • Da gibt es Vorgesetzte, die Aufgaben an Mitarbeiter abgeben, aber leider »vergessen«, relevante Informationen mitzuliefern. Mit dem Ergebnis, dass der Mitarbeiter die Aufgabe grandios an die Wand fährt, und dann kommt der Chef – »tatütata, hier kommt die Feuerwehr!« –, holt die Kastanien aus dem Feuer und fühlt sich mal wieder bestätigt, dass »um mich herum nur unfähige Pappnasen sitzen und ohne mich hier gar nichts laufen würde!«.
  • Oder im privaten Alltag: Da klagen Frauen über Überlastung beim Spagat zwischen Küche, Kindergarten und Konferenztisch, putzen dann aber selbst jeden Tag das Bad, »weil wenn mein Mann das macht, wird es eh nichts!«.

Sorry, wenn das an dieser Stelle sehr klischeehaft klingt, aber sicherlich hast oder kennst Du Vorgesetzte, Kollegen, eine Freundin oder eine Bekannte, auf die diese Punkte eins zu eins zutreffen. Ist den Aufgaben-Abgebern bewusst, was sie da machen? Wie paradox sie sich verhalten? Manchmal ist es ihnen bewusst. Das sind die Menschen, die von sich sagen, dass sie das Problem zwar erkennen, aber aus ihrer Haut einfach nicht rauskönnen. Manchmal ist es ihnen nicht bewusst – und wenn Du zu denen gehörst, ist es gut, dass wir darüber sprechen und Dir an dieser Stelle deutlich wird, was Deine »Tu Du!«-Bemühungen immer wieder sabotiert. Allein das Wissen darum, dass wir nach bestimmten Mustern funktionieren, die uns im Kern nicht guttun, kann der Beginn einer Problemlösung sein. So wie bei Bernd, einem Teilnehmer meines Online-Coachings »Innere Saboteure zu Freunden machen«, der mir nach Abschluss des Kurses schrieb: »Ich wusste gar nicht, dass es limitierende Überzeugungen und damit Verhinderer gibt. Jetzt kenne ich meine Saboteure, nehme sie bewusst wahr, lächle über mich selbst und kann mich dann bewusster und befreiter entscheiden.

Uns unserer hinderlichen Muster bewusst zu werden, ist der erste Schritt zum Erfolg. Die gute Botschaft dabei: Doch, wir können aus unserer Haut raus! Wir können uns – solange wir leben – verändern. Wir können unser Verhalten, wir können unsere Einstellungen und Überzeugungen ändern. Aber das klappt nur, wenn wir uns wirklich verändern wollen. Und das bringt mich zum Knackpunkt dieses Kapitels: Du wirst LMAA nur dann wirklich erfolgreich umsetzen können, wenn Du es wirklich willst. Solange noch ein kleiner Teil in Dir nicht voll hinter dem Abgeben steht, so lange wirst Du es auch nicht erfolgreich tun können. Dann wirst Du nämlich immer und immer wieder einen Widerspruch zwischen echtem innerem Wunsch und Deinem Verhalten spüren – und immer wieder versuchen, diese kognitive Dissonanz aufzulösen. Mit Selbstsabotage.

Aber, Kopf hoch! Wir können unsere Selbstsabotage beenden.

Folgende fünf Schritte helfen:

  • Schritt 1: Den Vorteil von »Ich mach’s!« erkennen
  • Schritt 2: Selbstsabotage in den Lebensmotiven identifizieren
  • Schritt 3: Selbstsabotage im Denkstil identifizieren
  • Schritt 4: Selbstsabotage in den »Antreibern« identifizieren
  • Schritt 5: Den Gewinn »drehen«

Mehr über die fünf Schritte und wie es Ihnen gelingt, Aufgaben loszulassen, erfahren Sie in Cordula Nussbaums unterhaltsamem und praxisorientiertem Titel Lass mal andere arbeiten!