"How to Get Shit Done" von Erin Falconer
„Kannst du bitte die Kinder heute Nachmittag zur Musikstunde fahren?“, „Würde es dir etwas ausmachen, ein Auge auf die neue Praktikantin zu werfen?“, „Reservierst du bitte ein Restaurant für die Firmenfeier?“ – Die Antwort vieler Frauen auf solche Fragen lautet Ja, obwohl sie Nein meinen. Wann bzw. wie Frauen endlich besser Nein sagen, verrät Erin Falconer in ihrem neuen Ratgeber How to Get Shit Done. Denn die Autorin ist überzeugt: Der kleine Einsilber „nein“ ist eine Kraftquelle heroischen Ausmaßes und so ziemlich das mächtigste Wort, was die Sprache zu bieten hat. Nein ist der Zauberumhang einer jeden Frau, ihr Wonder-Woman-Armband, ihre ultimative Superpower. Nicht umsonst ist Paulo Coelho der Meinung: „Sag nicht Ja, wenn du eigentlich Nein sagen willst.“ In How to Get Shit Done bringt Erin Falconer auf den Punkt, warum Frauen es dennoch immer wieder tun.
Warum tun wir es?
»Im Zentrum deines Seins weißt du die Antwort; du weißt, wer du bist, und du weißt, was du willst.« Laotse
Die traditionelle Vorstellung lautet, dass Sie, wenn Sie es zu etwas bringen wollen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit Ja sagen müssen. Und wenn das, was sich Ihnen bietet, eine Tür ist, die sich zu Ihren wahren Zielen hin öffnet, dann sagen Sie natürlich Ja dazu. Wenn es Ihr Traum ist, ein Blumengeschäft zu eröffnen, brauchen Sie lediglich Ihre eigene Erlaubnis (und ein Gefühl für Ihren eigenen Wert), um Ja zu sagen, wenn Sie das erste Mal gebeten werden, die Blumendeko für eine Hochzeitsfeier zu arrangieren.
Ja sollte aber niemals ein Blankoscheck sein, und für viele von uns ist es das. Nachdem wir zu freundlichen, hilfsbereiten, netten Mädchen erzogen wurden, sind wir Frauen geneigt, Ja zu sagen, ohne zu bedenken, was das für uns bedeutet. Wir wurden so sehr darauf getrimmt, anderen zu helfen, dass es uns ein gutes Gefühl gibt, bestätigt es doch unser positives Selbstbild, das man uns anerzogen hat. Ich wette, dass bei Ihnen schon die Alarmglocken schrillen, wenn Sie dies lesen. Will Erin, dass ich nicht mehr an andere denke? Ermuntert sie mich wirklich dazu, egoistisch zu sein? Wer wird mich noch mögen, wenn ich mich an die erste Stelle setze? Lassen Sie mich das klarstellen: Natürlich ist nichts Schlechtes dabei, anderen zu helfen. Aber schon die Tatsache, dass allein die Frage nach all den Dingen, die Sie für andere tun, ohne zuerst an sich zu denken, Ihnen Unbehagen bereitet, zeigt, wie wenig hilfreich es für uns Frauen ist, »hilfreich« und »auf sich selbst bedacht« als Gegensätze zu begreifen. Schauen wir uns im Detail an, wie das Ja-Sagen häufig im Leben einer Frau funktioniert.
Ja-Szenario Nr. 1. Sie sitzen in einem Meeting mit, sagen wir, acht oder neun Männern und Frauen um einen Tisch. Ihre Vorgesetzte braucht jemanden, der mitschreibt, die Notizen anschließend abtippt und an alle herumschickt. »Katie, würde es dir etwas ausmachen, dir ein paar Notizen zu machen?« Natürlich wird Katie das tun. Sie kann so etwas. Und sie ist hilfsbereit. Und sie will es Ihrer Vorgesetzten recht machen, die sie in Kürze anlässlich Ihres Mitarbeitergesprächs sehen wird. Nichts Großes. Aber es bedeutet, dass Katie nicht wirklich an diesem Meeting teilnehmen wird. Sie war mit dem Plan in das Meeting gekommen, einige Ideen für ein bevorstehendes Projekt vorzustellen. Aber es fällt schwer, Dinge artikuliert vorzutragen, während man gleichzeitig für das Protokoll zuständig ist. Nach dem Meeting eilt Katie an ihren Platz zurück und verbringt weitere 45 Minuten mit der Abschrift und dem Versenden des Protokolls, anstatt sich gleich wieder ihrer Arbeit zu widmen.
Ja-Szenario Nr. 2. Enge Fristen führen dazu, dass alle in Julias Büro Überstunden machen. Vermutlich wird es heute Abend wieder 21 Uhr werden. Als Julias Manager die Mitarbeiter um sich schart, um ihnen mitzuteilen, dass es wieder ein langer Abend werden wird, wendet er sich an Julia und sagt: »Macht es dir etwas aus, die Abendessen zu bestellen?« Um ehrlich zu sein, würde sie lieber mit ihrer Arbeit fortfahren, um schneller damit durch zu sein, aber was soll sie machen – vor versammelter Mannschaft Nein sagen? Stattdessen sagt sie also: »Klar.« Was dasselbe ist wie Ja. Julia verbringt anschließend nicht weniger als 30 Minuten damit, nach der Bestellkarte des Lieferanten zu suchen, von Tisch zu Tisch zu gehen, sämtliche Bestellungen entgegenzunehmen, die Bestellungen telefonisch durchzugeben und die Mahlzeiten schließlich beim Gebäudeeingang entgegenzunehmen.
Das sind nur Beispiele für klassische »häusliche« Aufgaben, die regelmäßig vorzugsweise an Frauen delegiert werden. Es gibt noch sehr viel mehr kleine Tätigkeiten, die das Leben im Büro verbessern. Es sind diese Gesten und Bemühungen, die den Betriebsablauf schmieren und womöglich dafür sorgen, dass alle jeden Tag gern zur Arbeit kommen. Jemand muss es tun, und dieser Jemand hat in aller Regel eine Vagina. Aber machen Sie keinen Fehler: So wichtig diese Tätigkeiten sind – sie fördern nicht Ihre Karriere. Ihre Vorgesetzte weiß Ihren Teamgeist möglicherweise zu schätzen und findet es toll, dass Sie sich für diese kleinen Dinge nicht zu schade sind, aber in Ihrem nächsten Mitarbeitergespräch wird das nicht ins Gewicht fallen.
Die Soziologin Madeleine Heil bezeichnet diese Jobs als »altruistisches Bürgerengagement«. Damit wir Frauen am Arbeitsplatz als gute Bürgerinnen wahrgenommen werden, müssen wir uns für diese »häuslichen« Arbeiten anbieten. Von uns Frauen wird verlangt und erwartet, dass wir mehr Verwaltungstätigkeiten übernehmen (die nicht in unserer Jobbeschreibung stehen), die zum reibungslosen Bürobetrieb beitragen, und man erwartet von uns die Nettigkeiten, die den Arbeitsplatz angenehm machen. Aber wir profitieren weder vom einen noch vom anderen. Wenn Frauen am Arbeitsplatz helfen, haben sie nichts davon; wenn sie nicht helfen, werden sie bestraft. Wenn Männer nicht helfen, nimmt niemand davon Notiz, und wenn sie helfen, haben sie auch selbst etwas davon.
Wenn unausgesprochener Sexismus am Arbeitsplatz seine Spielchen mit uns treibt, wie sieht es dann zu Hause aus? Wir wissen, dass Frauen im Anschluss an ihren Arbeitstag mehr Stunden investieren, um ihr Heim in Ordnung zu halten und für ihre Familien zu sorgen. Aber neben Kochen, Spülmaschine-Ausräumen, Wäschewaschen, Hausaufgabenbetreuung und so weiter wird von uns eine weitere »Hausarbeit« erwartet. Emotionsarbeit ist ein weiterer Punkt, den wir unserer To-do-Liste hinzufügen, ohne auch nur an Alternativen zu denken. Emotionsarbeit ist für Sie kein Thema? Und ob sie das ist! Sich merken, welche Freunde unserer Kinder Allergien haben, Familienweihnachtsgrußkarten verschicken, Babysitter bestellen, Ausgeh-Abende mit Freunden organisieren, jedermanns Terminplan im Kopf haben, beschließen, was es zum Abendessen gibt, Ferienpläne recherchieren, wissen, wo was im Haus zu finden ist … Das ist die nahezu unsichtbare Arbeit, die wir Frauen zu Hause leisten.
Wann und wie Sie Nein sagen können
• Machen Sie sich ehrlich klar, was Sie tun wollen und was Sie nicht tun wollen, aber weiter tun, weil sie niemanden enttäuschen wollen.
• Weisen Sie auf das Problem hin! Wenn Sie am Arbeitsplatz zu viel Zeit mit »Nebentätigkeiten« statt mit ihrem eigentlichen Job verbringen, sollten Sie Ihre Vorgesetzte das wissen lassen. Natürlich setzt das eine gewisse Nähe in der Beziehung voraus.
• Lassen Sie sich nicht länger zu Dingen breitschlagen, die Ihnen widerstreben und die Sie im Leben nicht weiterbringen. Ja, wir Frauen werden am Arbeitsplatz häufiger für unterstützende Tätigkeiten herangezogen, aber Sie können immerhin aufhören, von sich aus die Hand zu heben. Das ist manchmal sogar schwerer, als Nein zu sagen. Das Bedürfnis, hilfreich zu sein und es anderen recht zu machen, ist mitunter übermächtig. Aber fragen Sie sich einfach, ob sich die, die einflussreiche Positionen haben, mit solchen Dingen abgeben?
• Sagen Sie einfach Nein! Und bieten Sie dann eine Alternative an. »Ich möchte lieber nicht Protokoll führen, da ich selbst einiges zu diesem Meeting beizutragen habe. Ich glaube, Pete hat noch nicht Protokoll geführt – Pete, hast du einen Stift dabei?«
• Üben Sie! Wenn Sie stets zuvorkommend sind, dann erwarten die anderen, dass Sie das auch weiterhin sind. Es braucht Zeit, bis Ihr Umfeld begreift, dass Sie von jetzt an auch für sich selbst Sorge tragen werden. Das ist okay, und die anderen werden lernen, damit zu leben.
• Im häuslichen Kontext ist es produktiver, wenn Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin bitten, etwas zu tun, als sich zu beklagen, dass er oder sie es nicht tut – selbst wenn Ihr Partner oder Ihre Partnerin eigentlich wissen sollte, dass Sie keine Lust haben, jede Musikstunde, jede Nachhilfe und jede Sportveranstaltung Ihrer Kinder zu organisieren, weil er oder sie sich um nichts kümmert. Statt sich zu streiten, »wer hier mehr tut«, was unweigerlich schlecht ausgehen würde, sollten Sie sofort mit Ihrer Bitte herausrücken: »Es wäre mir eine große Hilfe, wenn du dich um die Sommercamps der Kinder kümmern würdest. Geht das?«
• Es wird besser: Sich selbst Grenzen zu setzen, kann unangenehm sein (für Sie selbst und Ihre Umwelt), aber wenn Sie konsequent sind, werden Sie sich in diesem neuen Land des Neins zunehmend zu Hause fühlen.
• Wenn Sie eine Führungskraft sind oder auf dem besten Wege, eine zu werden, sollten Sie darauf achten, dass sie nicht Teil dieses Problems werden.
Und als ob ein Nein am Arbeitsplatz nicht schon schwer genug wäre, ist es noch schwerer, wenn es um Freunde und Familie geht – also um die Menschen, die Sie eigentlich verstehen und unterstützen sollten. Ich pflegte stolz darauf zu sein, was für eine gute Freundin ich bin. Ich ging stets ans Telefon, hatte immer Zeit, mir anderer Leute Probleme anzuhören, und versuchte stets, alles zu tun, um für einen Drink, einen Kaffee oder eine Einkaufstour verfügbar zu sein. Das Problem war nur, dass ich mich, wenn ich es aus irgendeinem Grund einmal nicht einrichten konnte, total schlecht fühlte, als ob ich versagt hätte. Dieses Gefühl begleitete mich dann den ganzen Tag, während ich überlegte, wie ich meinen »Fehler« wiedergutmachen konnte, was mich wiederum von dem ablenkte, was ich eigentlich tun musste.
Allmählich wurde mir bewusst, dass ich mich fühlte, als fiele ich jedes Mal, wenn ich jemanden enttäuschte, bei ihm oder ihr in Ungnade. Was total schmerzte, denn ich liebte diese Menschen! Und doch entwickelte ich negative Gefühle, weil ich ständig Kompromisse machen musste, damit nur alle anderen glücklich waren. Eines Tages, als ich besonders aufgebracht war ob der Vorwürfe, die man mir gemacht hatte, weil ich wegen eines drängenden Abgabetermins nicht an einem fröhlichen Umtrunk mit Freunden teilnehmen konnte, rastete ich, nachdem ich aufgelegt hatte, vollkommen aus vor Wut, während ich begann, mir alle Dinge durch den Kopf gehen zu lassen, die ich jemals für Familienangehörige und Freunde getan hatte, ohne dass man es mir gedankt hätte. Meine Wut richtete sich jetzt gegen alle und jeden. Als ich mich allmählich beruhigte, versuchte ich mir zu überlegen, wie ich in diese Lage geraten war. Und nachdem ich versucht hatte, die Schuld bestimmten Personen oder Situationen zuzuschreiben, wurde mir bewusst, dass ich selbst der gemeinsame Nenner war. Ich selbst war in Wirklichkeit das Problem. Aus dem Bedürfnis heraus, es allen recht zu machen, oder weil ich meinte, es der Welt schuldig zu sein, hatte ich mich rund um die Uhr verfügbar gemacht und so unrealistische Erwartungen geweckt. Menschen sind Menschen und wir nehmen, was wir kriegen können – und so setzen wir besser Grenzen und wecken nur solche Erwartungen, die zuerst einmal für uns selbst Sinn ergeben. Das ist naturgemäß keine leichte Sache – besonders, wenn Sie bereits in einer auf Dauer nicht haltbaren Situation gefangen sind. Aber Ihre mentale Gesundheit und die Gesundheit Ihrer Beziehungen hängen von Ihrer Ehrlichkeit und Ihrer Fähigkeit ab, mit ebenso viel Selbstvertrauen und Zuversicht Nein zu sagen, wie Sie Ja sagen.
Die Autorin
Erin Falconer ist Chefredakteurin und Mitinhaberin von Pick the Brain, einer der am schnellsten wachsenden und erfolgreichsten Communitys zur Persönlichkeitsentwicklung im Internet. Mit über 1,8 Mio. Seitenaufrufen im Monat und 200 Bloggern aus der ganzen Welt hat sich Pick the Brain zu einer starken globalen Stimme und Marke im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung entwickelt und wird täglich in über 35 Ländern gelesen. Darüber hinaus wurde Pick the Brain in mehr als 100 „Best of the Web“-Listen aufgenommen, und Refinery29 hat Erin zu einer der Top-10-Frauen ernannt, die die digitale Landschaft nachhaltig verändern. Erin ist außerdem Mitbegründerin von LEAFtv, einer Video-Lifestyle-Marke für Millennials. Sie hat eine abwechslungsreiche Karriere als Drehbuchautorin, Komikerin und politische Beraterin hinter sich und hat sich nun ganz und gar dem Bloggen verschrieben. Sie lebt in Los Angeles/USA. How to Get Shit Done, ist ihr erstes Buch.