„Führung stirbt nicht“ von Peter Holzer

Starke Führung ist keine Rolle rückwärts: Peter Holzer will nicht zurück zum dominant-patriarchisch geführten Betrieb, in dem die Mitarbeiter vor dem Chef zittern. Doch das Gegenteil kann auch fatal sein: Als erfahrener Unternehmensberater hat Peter Holzer in vielen Betrieben Orientierungslosigkeit und Umsetzungsschwäche beobachtet. Sein Buch Führung stirbt nicht ist daher ein Plädoyer für mehr Führungsstärke. Der Autor ist überzeugt: Spätestens wenn es darum geht, für die Umsetzung der Ziele zu sorgen und das Überleben des Unternehmens zu sichern, braucht es einen echten Anführer, der vorangeht und seine Mannschaft mitnimmt. Lesen Sie mehr darüber in der folgenden Leseprobe:

Gefühle haben eine unglaubliche Kraft. Sie sind wie ein wildes Pferd, auf dem Sie sitzen. Dieses Pferd gibt Ihnen Antrieb, Energie und bereichert Ihr Leben. Hilfreich ist jedoch, wenn Sie die Zügel in der Hand behalten, um Ihre Gefühle in die richtigen Bahnen zu lenken. Das klingt jetzt vielleicht kühl, unmenschlich oder berechnend. Doch diese Gefühls- oder Impulskontrolle ist essenziell, besonders dann, wenn es für Sie als Anführer darauf ankommt, ruhig Blut zu bewahren. Dabei ist es egal, ob Sie nur um Ihr eigenes Leben kämpfen – oder Ihr Team durch heikles Terrain führen müssen. Ein kühler Kopf hilft!

Sicherlich gibt es auch viele angenehme Aspekte der Führung: Strategien entwickeln. Für gute Stimmung sorgen. Menschen loben. Solche Aspekte sind die Kür. über die sprechen wir noch später. Ihre Pflicht ist eine andere: dass Sie gerade dann, wenn es schwierig wird, das Zeug zum Anführer haben sollten. Ob Sie diese Pflicht beherrschen, können Sie anhand von fünf Fragen überprüfen.

Frage 1: Willst du führen?

Oder streben Sie nur nach dem höheren Gehaltsscheck? Oder den Annehmlichkeiten der höheren Position? Oder dem besseren Ansehen? Diese Fragen sind nicht so angenehm, weil Sie damit Ihre Haltung auf den Prüfstand stellen. Hinterfragen Sie sich also lieber im stillen K.mmerlein oder mit Ihrem Coach – bevor es jemand in der Öffentlichkeit tut und Sie entlarvt werden.

Frage 2: Kannst du das Gewicht der Verantwortung tragen?

Wenn Sie ein guter Anführer sind, dann haben Sie wahrscheinlich ein kraftvolles Team um sich herum versammelt. Doch in entscheidenden Situationen sind Sie es, der eine Entscheidung treffen muss. Der eine Richtung aufzeigen und vorweggehen muss. Entscheidungsstärke und Entschlossenheit sind die essenzielle Verantwortung eines Anführers. Und diese Verantwortung hat ein Gewicht. Es gibt viel zu viele Möchtegern-Führungskräfte, die bereits kläglich versagen, weil sie nicht in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Je mehr Verantwortung Sie tragen, desto schwerer wird dieses Gewicht. Wie viel davon können Sie tragen? Seien Sie ehrlich zu sich und übernehmen Sie nur so viel Verantwortung, wie Ihnen nachhaltig guttut. Sonst machen Sie nicht nur sich selbst kaputt, sondern auch Ihr Team oder gar das gesamte Unternehmen.

Frage 3: Kannst du die Einsamkeit an der Spitze aushalten?

Sie kennen den Spruch: An der Spitze der Pyramide ist es einsam. Ein wahrer Anführer h.lt diese Einsamkeit aus. Und diese Einsamkeit hat viele Facetten. Sicherlich können Sie sich mit Ihren Leuten austauschen und beraten. Aber Sie sollten als Anführer nicht mehr alle Themen, Gedanken und Gefühle teilen. Wahrhaftigkeit ist gut. Aber manchmal müssen Sie Ihre Bedenken für sich behalten. Denn es liegt an Ihnen, als Anführer aufzubrechen und vorwegzugehen. Meist ins Ungewisse. Sie k.nnen niemanden vorschicken. Sie sind die Spitze! Viele Gedanken, Sorgen und Ängste nehmen Sie dann nachts mit in den Schlaf. Sicherlich dürfen Sie hier und da Ihre Bedenken teilen. Aber keiner will einen Anführer, der unter Tränen gesteht, dass er sich vor Schiss in die Hosen macht. Die Augen der anderen Menschen sind auf Sie gerichtet, weil sie von Ihnen Zuversicht spüren wollen. Als Anführer werden Sie beobachtet, weil die Menschen von Ihnen Souveränität erwarten. Ein Unternehmer formulierte es während eines Coachings so: „Ich stehe jeden Tag als ›Agent of Hope‹ vor meinen Leuten.“ Der Anführer als Hoffnungsstifter.

Frage 4: Kannst du eine Entscheidung treffen, auch wenn du damit einem anderen Menschen oder dir selbst »wehtust«?

Sie werden auf Ihrem Weg als Anführer viele schwierige Situationen erleben. Dies betrifft auch den Umgang mit anderen Menschen. Solche Situationen k.nnen sein: Abmahnungen, Kündigungen, Werksschließungen. Aber manchmal ist es auch einfach nur ein „Nein“, wenn ein Mitarbeiter Ihnen mit funkelnden Augen eine Projektidee vorschlägt, für die Sie jedoch keine Ressourcen freimachen wollen. Leiden Sie in solchen Situationen unter dem Gemocht-werden-wollen-Virus – oder sind Sie in der Lage, Klartext zu reden? Heißt konkret: Wie gehen Sie mit Konflikten, Meinungsverschiedenheiten, unangenehmen Entscheidungen und Weisungen um? Können Sie Menschen entlassen, wenn es nicht abwendbar ist? Können Sie Menschen in die Augen schauen und zurechtweisen, wenn ihr Verhalten unangemessen ist? Oder scheuen Sie den Konflikt, weil Sie anderen nicht „wehtun“ wollen – oder die Situation Sie gar selbst verletzt? Keine Frage: Jeder gesunde Mensch sollte es vermeiden, anderen wehzutun. Doch wenn es die Situation erfordert, müssen Sie in der Lage sein, das Notwendige zu tun, zu sagen oder einzufordern – auch wenn es Sie oder andere schmerzt.

Frage 5: Kannst du in schwierigen Situationen gegen die Meinung anderer entscheiden – auch wenn du mit deiner Meinung allein dastehst?

Derzeit gibt es einen Trend in Richtung Mitbestimmung. Doch ein Unternehmen ist kein basisdemokratischer Verein, bei dem alle mitmischen können – aber im Falle des Scheiterns auf einmal niemand mehr verantwortlich ist. Natürlich ist es sinnvoll, mit anderen Menschen ergebnisoffen und sachlich zu streiten, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Über die dafür notwendige Streitkultur sprechen wir noch im dritten Kapitel. Aber das heißt nicht, dass Sie sich als Anführer immer der Meinung der Mehrheit beugen müssen. Im Gegenteil: Manchmal sind Sie trotz aller Diskussion immer noch anderer Meinung. Können Sie jetzt eine bestimmte Entscheidung fällen, auch wenn sie unpopulär ist? Werden Sie auch unter diesem sozialen Druck und trotz der widrigen Umstände dem Anspruch eines starken Anführers gerecht? Stark heißt: Sie treffen in solchen Momenten eine mutige Entscheidung, brechen auf, gehen vorweg und sorgen für konsequente Umsetzung. Oder werden Sie doch schwach, beugen sich dem Mainstream und entscheiden sich für die populäre Handlungsoption?

Wer Verantwortung übernimmt, ist ein Anführer. Kein Vorgesetzter. Keine Führungskraft. Kein Manager. Und ob jemand ein starker Anführer ist, zeigt sich im Grenzbereich. In der Abbildung habe ich Ihnen das Zusammenspiel aus Druck und Souveränität dargestellt. Wie verhalten Sie sich, wenn die Stimmung gut ist? Und wie, wenn Sie in den Grenzbereich kommen? Colin Powell, dem ehemaligen US-Außenminister, wird ein Zitat zugeschrieben, das mir sehr gut gefällt: „Being responsible sometimes means pissing people off“ – elegant übersetzt ist damit gemeint: Verantwortung zu übernehmen bedeutet manchmal, Menschen richtig zu verärgern.

Sie möchten mehr darüber erfahren, warum Mut und Entschlossenheit das Überleben von Unternehmen sichern? Sehen Sie hier das Video von Peter Holzers Buchvorstellung. Auf seiner Website peterholzer.com finden Sie zudem den Podcast sowie den Blog des Autors. Sein erstes Buch Mut braucht eine Stimme ist ebenfalls bei GABAL erschienen.

Peter Holzer

Peter Holzer lebt als Berater und Vortragsredner mit seiner Familie in Köln. Nach seinem BWL-Studium in Oestrich-Winkel (D), Auckland (Neuseeland) und Chicago (USA) baute er als Geschäftsführer einen Mittelstandsfond auf. Ein plötzlich auftauchender Schilddrüsentumor bedrohte sein Leben und seine Stimme. Diese Erfahrung war ein Wendepunkt in seinem Leben: Nach seiner Genesung verließ er die Finanzbranche, um einen beruflichen Neustart zu wagen. Seit 2009 berät er Vorstände und Führungskräfte in strategischen Fragen und hilft ihnen dabei, Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Denn aus seiner Sicht mangelt es der Welt nicht an Ideen, sondern an deren Umsetzung. Zu seinen Kunden zählen DAX-Konzerne und ambitionierte Familienunternehmen. Mit der gleichen direkten und zupackenden Art, mit der er seine Klienten aus den Unternehmen unterstützt, will er seinen Lesern bei dem helfen, was er als sein Herzensanliegen bezeichnet: seiner inneren Stimme zu folgen und diese nach außen hörbar und wirksam zu machen. Peter Holzer erhebt seine Stimme zugunsten eines aufrechten, ehrlichen und selbstbestimmten Lebensweges, der jedem offensteht – zum Wohle des Einzelnen genauso wie zum Wohle der Gesellschaft.