"Begegnung im Gespräch" von Sylvia Löhken und Tom Peters

Sylvia Löhken und Tom Peters sehen im Small Talk keinen Kommunikations-GAU. Ganz im Gegenteil, in ihren Augen ist er ein leichter Weg, miteinander ins Gespräch zu kommen, eine gemeinsame Basis zu finden und Räume zu öffnen. Doch spätestens wenn sich zwei Menschen besser kennen, ist diese Form des Gesprächs obsolet. In Begegnung im Gespräch stellen sie deshalb den Personal Talk als Fortführung des „kleinen Gesprächs“ vor. Lesen Sie ein paar Beispiele.

Im GABAL Podcast sprechen Sylvia Löhken und Tom Peters über die Motivation, dieses Buch zu schreiben. Hören Sie hier rein.

Personal Talk – Begegnung für Fortgeschrittene

Sommer 2018: Am Bonner Markt (1)

Unsere Freundin Sabine: Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen?

Ältere Unbekannte (unsicher): Ja?

S: Ich sehe Sie hier öfter, und Sie wirken so anders als die Menschen, die sonst hier um Geld bitten. Was ist Ihnen denn passiert?

U (sieht auf ihre Füße): Mein Mann ist gestorben. Und meine Rente ist so niedrig.

S (setzt sich vorsichtig neben U): Und deshalb sind Sie jetzt hier.

U: Ja.

S: Das stelle ich mir ganz schwer vor.

U: Hmm.

S: Wenn Ihre Rente so niedrig ist … (Pause)

U: Ja, sehr niedrig.

S: Ich glaube, das Sozialamt kann da helfen. Da gibt es Aufstockungen.

U: Oh, das Sozialamt. Ja, vielleicht müsste ich dann …

S: Ich kenne mich da nicht so gut aus. Ich weiß nur: Es gibt ganz sicher Beratungen.

U (etwas ängstlich): Dann muss ich da mal hingehen.

S: Haben Sie einen Computer mit Internet?

U: Nein. Nein.

S: Wenn Sie mögen, kann ich bis morgen mal nachforschen. Dann wissen wir genau, wo Sie Hilfe bekommen.

U: Oh. Aber Sie müssen das nicht tun.

S: Es ist viel leichter, wenn Sie wissen, wohin Sie gehen und wer da ist. Mir würde das jedenfalls schwerfallen, einfach so hinzugehen.

U: Hmm. Aber – ich war früher Sekretärin!

S: Ah, deshalb passte das für mich auch gar nicht, wenn ich Sie so gesehen habe. Soll ich morgen mit ein paar Informationen wiederkommen?

U: Ich bin mittags wieder hier.

S (lächelt): Ja. Dann bis morgen. Ich bin Sabine.

U (lächelt): Und ich Ingrid.

Dieser Beispieldialog ist länger als der im Small Talk. Sicher haben Sie sofort einen Unterschied festgestellt. Der Personal Talk ist ein echter Kontakt. Der Small Talk erscheint uns oft wie die Imitation einer Begegnung, eine Art Gesprächsritual. Im Personal Talk dagegen gibt es einen Kontakt auf anderer Ebene. Menschen berühren sich und teilen Informationen, die sie sonst nicht ohne Weiteres offenbaren: zum Beispiel über die eigene (heikle) Situation, über ihre Sorgen oder darüber, wie sie helfen können. Es gibt ein Angebot, Nähe herzustellen – wer dieses Angebot macht, will diese Nähe und nimmt dafür das Risiko in Kauf, beim Gegenüber abzublitzen. Es hätte also auch so laufen können:

Am Bonner Markt (2)

Sabine: Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen?

Unbekannte: Ja?

S: Ich sehe Sie hier öfter, und Sie wirken so anders als die Menschen, die sonst hier um Geld bitten. Was ist Ihnen denn passiert?

U: Will ich nicht drüber reden. Aber einen Euro für einen Kaffee könnte ich brauchen.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass U versucht, das Näheangebot für ihre Zwecke zu nutzen, und nur scheinbar mitspielt – etwa um Mitleid zu erregen. Das wäre dann ein »Fake Personal Talk«:

Am Bonner Markt (3)

Sabine: Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen?

Unbekannte: Ja?

S: Ich sehe Sie hier öfter, und Sie wirken so anders als die Menschen, die sonst hier um Geld bitten. Was ist Ihnen denn passiert?

U (senkt den Kopf, leise): Familie. Ist furchtbar. Helfen Sie mir! Bitte!

Oft sagt uns allerdings unsere Intuition, ob uns jemand manipulieren will oder es ehrlich meint.

Der Personal Talk gelingt also, wenn beide damit einverstanden sind, sich etwas näherzukommen. Und er braucht einen Vorschuss an Vertrauen. Dann lassen sich auch heiklere Themen ansprechen, wie in unserem Beispiel das Betteln. Im Kapitel Von der Angst zur Entwicklung finden Sie zum Thema Vertrauen einen Dialog zwischen einer Dozentin und einer kopftuchtragenden Studentin, der schön zeigt, wie die eigene innere Haltung zu einer Sicherheit beitragen kann, aus der heraus wir uns einem Thema neu annähern können.

Last, but not least: Es geht manchmal schnell mit dem Personal Talk. Manchmal ist der Einstieg einfach ein Hilfsangebot. Dann kann der Small Talk direkt ausgelassen werden. Das Vertrauen wird zusammen mit dem Thema indirekt erbeten.

Die Autoren

Dr. Sylvia Löhken ist einem breiten Publikum als Expertin für intro- und extrovertierte Kommunikation bekannt. Sie hilft Menschen, sich selbst und andere besser zu verstehen und mit dem, was sie sind, erfolgreich zu sein: an Hochschulen und Forschungsinstituten, in Führungsetagen und auf Kongressen, in Konferenzräumen und im Zusammenleben mit anderen. Sylvias Ausgangsfrage ist: Wie gestalten wir unser Leben am besten als die Persönlichkeiten, die wir sind? Das Thema Gespräche treibt sie dabei schon lange um. Sylvias Bücher über intro- und extrovertierte Kommunikation (alle bei GABAL erschienen) sind mit 25 Sprachen und über 500.000 verkauften Exemplaren internationale Bestseller. Sie trugen entscheidend dazu bei, den „kleinen Unterschied“ zwischen Intro- und Extrovertierten zu etablieren. Auch die Medienresonanz war und ist groß, bis hin zu Coverstorys in Der Spiegel und Psychologie heute, Interviews in Brigitte, El País oder Madame Figaro, im Deutschlandradio und im NDR, im Handelsblatt und in Psychologies sowie Fernsehauftritten im ZDF und ORF.
Sylvia Löhken arbeitet weltweit mit Menschen als Coach, Trainerin und Rednerin. Zu Hause in Bonn umgibt sie sich gern mit guten Büchern, Menschen, die mehr Fragen als Antworten haben, und einem Mantel aus Ruhe.

Tom Peters hat drei Leben: das künstlerische eines Profi-Musikers, das seelsorgerlich-therapeutische eines ordinierten evangelischen Theologen und Pfarrers und das eines Unternehmers. Nach seinem Ersten Theologischen Staatsexamen und Studien der Philosophie und Vergleichenden Religionswissenschaften, schloss Tom seine Klavier-, Orgel- und Kompositionsstudien an deutschen Musikhochschulen in Köln und Rostock ab. Tom war als Pfarrer, als Hochschuldozent und als Lehrer in der Hochbegabtenförderung tätig. 2002 folgte die Gründung des eigenen Unternehmens Musikstudio Peters Bonn, gefolgt vom Raum für seelsorgerliches Handeln, den Tom zwischen kirchlicher und psychologischer Praxis orientiert.
Seine künstlerische und seelsorgerliche Arbeit macht Tom zu einem vielgefragten Begleiter und Berater in Lebensfragen. Er konzertiert international mit einem breiten Repertoire in Klassik und Jazz.