Strategie mit Story

Bevor ein Unternehmen sich auf eine Strategie festlegen kann, muss erst einmal festgelegt werden, was Strategie überhaupt ist. Im ersten Kapitel seines gleichnamigen Buches erklärt Veit Etzold anschaulich, wie Sie sich eine Strategie zurechtlegen können und welche Stolpersteine unterwegs warten.

Was ist Strategie?

»Besser der Erste in einem Bergdorf als der Zweite in Rom.« Julius Cäsar

Wenn wir das Wort »Strategie« auf irgendeiner PowerPoint-Folie sehen, dann meist in Verbindung mit Schachfiguren. Das ist eines der typischen Firmenklischees in jedem Change-Projekt. Wenn es darum geht, »die PS auf die Straße zu bringen«, wird gerne ein Formel-1-Bolide abgebildet, und beim Thema Teamwork und Kooperation sind es oft mehrere Hände, die aufeinanderliegen und Gemeinsinn demonstrieren sollen.

Die Strategie und der Weg zum Ziel

Was aber bedeutet »Strategie«? Das Wort kommt aus dem Altgriechischen von »Stratos = Armee« und »Agein = führen«. Ihre Strategie bestimmt also, wie Sie Ihr Ziel erreichen wollen und auf welche Weise Sie »Ihre Armee führen«, um an dieses Ziel zu gelangen. Unternehmensstrategie wäre ohne Militärstrategie nicht denkbar. Auch in der Unternehmenssprache ist dieser Duktus noch zu finden: So spricht man häufig davon, einen Markt zu »erobern«, einen Wettbewerber »zu besiegen« und ein anderes Unternehmen »feindlich« zu übernehmen«. Strategie kommt immer dort zum Zuge, wo große Organisationen ein Ziel erreichen wollen. Die größten Organisationen waren lange Zeit Armeen. Als im 19. Jahrhundert Unternehmen zu sehr großen Organisationen heranwuchsen, hielt der Strategiebegriff nach und nach Einzug in die Unternehmensplanung.

 

Sie brauchen eine Strategie, wenn Sie ein Ziel erreichen wollen. Das ist meist ein schwieriges Unterfangen, da sich in der Regel noch andere um dieses Ziel bemühen. Warum? Weil Ihr Ziel attraktiv ist und Sie, bei allem Respekt, nicht der Einzige sind, der das wahrgenommen hat. Es entsteht also eine Konkurrenz darum, wer von Ihnen das Ziel zuerst erreicht – so wie damals auf dem Abschlussball, als es um die Gunst der tollsten Tanzpartner und -partnerinnen ging. Es ist immer zu wenig von allem da. Wir leben nach wie vor in einer Welt der knappen Ressourcen und der Mensch bringt wie schon seit Jahrtausenden einen Großteil seiner Zeit damit zu, mehr vom Kuchen abzubekommen als andere. Vorstände, Strategiechefs und Vertriebsmanager tun das immerzu. Und Sie wahrscheinlich auch. Wenn es uns gelingt, unsere Umgebung so zu gestalten, dass sie für uns oder unsere Firma vorteilhaft ist, müssen wir strategisch etwas richtig gemacht haben. »Erfolg«, schreibt Thomas Mann in seinem Roman »Buddenbrooks«, ist »die Gefügigkeit des Lebens zu eigenen Gunsten«. Den Markt können Sie sich gefügig machen. Das kostet allerdings viel, viel Geld. So zahlen beispielsweise die Werbekunden für 30 Sekunden Werbung beim Superbowl ganze 5 Millionen Dollar – das sind 10 Millionen Dollar pro Minute!

Aber egal wie viel Sie ins Marketing stecken: Es gilt in der Regel die alte Weisheit, dass etwa 50 Prozent der Werbeinvestitionen gut angelegt sind. Wir wissen meist nur nicht, welche 50 Prozent das sind. Schließlich können wir nach wie vor nicht die Zukunft vorhersagen. Donald Rumsfeld, der Verteidigungsminister unter George W. Bush, sprach von »Known Unknowns«, also von Dingen, von denen wir wissen, dass wir sie nicht wissen, und von »Unknown Unknowns«, also Dingen, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen. Das größte schwarze Loch des Unwissens ist die Zukunft. Wir wissen nicht, ob die Zukunft sich so entwickelt, wie wir es uns wünschen oder planen, und wir wissen nicht, was die Wettbewerber tun werden. Erst in der Zukunft sehen wir, was unser Wettbewerber wirklich plant, ob Aktie A steigt oder fällt, ob der Kunde unser Produkt kauft oder ob wir befördert oder gefeuert werden. Strategie ist also nicht immer planbar – es sei denn, Sie entwerfen neben Ihrer Strategie auch die Ihres Wettbewerbers. Das wird dieser aber kaum zulassen.

Im Gegenteil, er wird versuchen, Sie von der erfolgreichen Durchführung Ihrer Strategie abzuhalten. Eine gute Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass sie gar nicht erst versucht, die Zukunft vorherzusagen; mithilfe einer guten Strategie sollte es Ihnen vielmehr möglich sein, auch in einem unsicheren Umfeld Ihr Ziel zu erreichen. Das ist natürlich nicht einfach. Darum nannte Carl von Clausewitz, einer der größten strategischen Denker der Welt, den erfolgreichen Feldherrn, dem dies gelingt, auch den »Genius«. Wenn Ihnen als Manager dies gelingt, können Sie sich auch so nennen. Viele kluge Köpfe haben sich schon über das Wesen der Strategie geäußert. »Strategie ist die Verfolgung eines Ziels unter sich ständig wandelnden Vorzeichen«, sagte der große preußische Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke. »Strategie ist die nicht auf den ersten Blick erkennbare Führung eines Systems über einen längeren Zeitraum«, befand Bruce Henderson, der Gründer der Boston Consulting Group. Und Boxlegende Mike Tyson brachte es endgültig auf den Punkt: »Jeder hat eine Strategie. Bis er eins in die Fresse bekommt.«

Die aus meiner Sicht beste Strategiedefinition ist diese:

Strategie ist das planvolle Anstreben einer nachhaltig vorteilhaften Lage gegen ein intelligentes Gegenüber.

Das »Gegenüber« kann der Wettbewerb sein, der Unwille des Kunden, Ihr Produkt zu kaufen, die Unsicherheit, das Zinsumfeld, die Regulierung und vieles mehr.

Strategie und Taktik

»Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer.« Friedrich Nietzsche

Bevor Sie eine Strategie entwickeln, müssen Sie sich über das Ziel im Klaren sein. Allgemein gesprochen möchten Sie von Ihrer jetzigen Position aus eine vorteilhaftere Position in der Zukunft erlangen. Als Besitzer einer Buchhandelskette könnten Sie zum Beispiel planen, diese zur größten in Deutschland zu machen. Das Ziel wäre also die Beherrschung des deutschen Buchmarktes. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es zwei strategische Ansätze: Entweder wächst Ihr Unternehmen organisch oder Sie treiben die Expansion voran, indem Sie andere Buchhandlungen übernehmen. In letzterem Fall wäre die Übernahme der Müller’schen Buchhandlung in Frankfurt, Düsseldorf und Köln ein logischer taktischer Schritt.

Strategische Methoden

Sie fragen sich also zunächst: Was ist mein Ziel?

Antwort: Der Buchhändler Nummer eins in Deutschland zu werden. Dieses Ziel verfolgen natürlich auch Ihre Wettbewerber – eine Tatsache, die gegen allzu langfristige Planungen spricht, da Sie die Pläne Ihrer Konkurrenz nicht kennen können. Ich bin jedenfalls eher misstrauisch, wenn ich irgendwelche Umsatzprojektionen für die nächsten zehn Jahre sehe. Trotz Super-Hochleistungs-Computern ist es nach wie vor nicht möglich, das Wetter auf drei Tage genau vorherzusagen. Wie soll es dann möglich sein, zehn Jahre Unternehmenszukunft zu prognostizieren?

Wir können daher festhalten:

• Strategie ist kein starrer Prozess, sondern der variable Weg zum Ziel. Ändern sich die Umstände, durch die man dieses Ziel erreichen kann, müssen wir auch die Strategie ändern.

• Wo immer Strategie ist, wird ein Ziel verfolgt. Das Ziel, das jemand verfolgen will, ist oft ein lohnendes Ziel. Daher wollen es andere auch verfolgen – und uns daran hindern, es selbst zu tun.

• Wo immer Strategie ist, da ist Wettbewerb. Ohne Wettbewerb bräuchte man keine Strategie. Im Umkehrschluss heißt das natürlich, dass jedes Unternehmen ein großes Interesse daran hat, jeden Wettbewerb auszuschalten.

Ein Beispiel für diesen letzten Punkt: John D. Rockefeller, der Besitzer von Standard Oil in den USA, senkte im 19. Jahrhundert zunächst die Preise für Öl, um seine Wettbewerber in den Ruin zu treiben, bis schließlich nur noch Standard Oil übrig war. Irgendwann wurde das den Kartellbehörden zu bunt und Standard Oil wurde im Jahr 1911 zerschlagen.

Eines der Unternehmen, die daraus hervorgingen, war ESSO. ESS für »S« und »O« für »O«. Wie »SO« in »Standard Oil«.

Als Nächstes fragen Sie sich:

Was ist meine Strategie? Wie will ich dieses Ziel erreichen?

Antwort: Durch organisches Wachstum. Sie nehmen zum Beispiel Kredite auf, um Ihre Ladenfläche zu erweitern. Eine andere Strategie besteht darin, durch Übernahme (freundlich

oder feindlich) anderer Buchhandlungen zur Nummer eins heranzuwachsen. Das könnte schneller gehen, wäre aber auch um einiges teurer. Jede Strategie ist mit sogenannten »trade offs«, also Abstrichen, verbunden. Man kann nicht für jeden alles sein, und dierichtige Priorisierung ist eine elementare Fertigkeit der Strategie.

Zuletzt fragen Sie sich: Was ist meine Taktik?

Falls Sie durch Übernahmen wachsen wollen, ist der Kauf der Müller’schen Buchhandlung ein Baustein, um diese Strategie umzusetzen. Die Taktik einer Strategie besteht immer aus diversen taktischen Schritten. Strategie ist damit der Weg von der gegenwärtigen Realität zum sehnlichst erwarteten Ideal, zum Ziel.

Der Autor

Prof. Dr. Veit Etzold, „der deutsche Dan Brown“ (Radio Bremen), versteht es, die Techniken einer spannenden Geschichte nahtlos in die Kommunikation von Individuen und Unternehmen zu übertragen.
Nach einer Karriere als Manager in der Finanzbranche (Allianz), Unternehmensberatung (BCG) und in der Management-Ausbildung (ESMT, IESE) berät er heute zahlreiche DAX-Konzerne, Anwaltskanzleien, Banken, Strategieberatungen sowie Internetkonzerne, Venture-Capital-Funds, Start-up-Inkubatoren und Start-ups.
Veit Etzold begeistert in Vorträgen aber nicht nur Führungskräfte und Unternehmer, sondern auf seinen zahlreichen Thriller-Lese-Events auch tausende von Krimi- und Thriller-Fans. Mit seinem Thriller "Final Cut" gelang ihm im Jahre 2012 der Durchbruch als einer der Top-Thriller-Autoren Deutschlands. Weitere Spiegel-Bestseller folgten. Sein Sachbuch "Der weiße Hai im Weltraum – Storytelling für Manager" gilt als Standardwerk.