"Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen" von Nele Kreyßig

„Ein gutes Buch. Verdammt gut.“ (Leo-Magazin)

Ganz klar, die anderen können ganz schön nerven. Und nur allzu gern legen wir die eigene Bewertungsmesslatte an und be- und verurteilen munter drauf los: „Das gehört sich nicht“, „Du warst ja schon immer viel zu …“, „Du solltest besser ...“, „Wie kann man nur?!“ Doch was für uns ohne Wenn und Aber richtig ist, muss es für das Gegenüber noch lange nicht sein. In Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen lautet Nele Kreyßigs Rat deshalb: Lieber öfter versuchen, die Welt durch die Brille des anderen zu sehen.

Doch auch die eigene Toleranz kann an Grenzen stoßen. Dann zum Beispiel, wenn eine Verhaltensänderung des anderen alternativlos notwendig ist. In solchen Fällen ermutigt die GABAL Autorin in ihrem Ratgeber dazu, einfach mal Klartext zu reden und ehrlich zu sagen, was einen nervt. Wie das geht ohne Unmut zu erzeugen und inwiefern Sie das dreischrittige WWW-Modell für sachliches und konstruktives Feedback dabei unterstützt, zeigt Nele Kreyßig in der folgenden Leseprobe aus ihrem neuen Buch Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen.

Tipp 6: Die Flucht nach vorne

Ehrlich sagen, was los ist

Die Inhaberin eines renommierten mittelständischen Medienunternehmens berichtet mir von folgender Situation: Sie möchte eine junge Praktikantin, Marie, gerne fest anstellen, und zwar als ihre Assistentin. Das wäre eine tolle Chance für die Studienabsolventin. Marie ist zwar erst seit zwei Monaten im Unternehmen, hat aber direkt überzeugt – durch schnelle Auffassungsgabe, Eigeninitiative, Freundlichkeit. Wenn da nicht ein Problem wäre: Marie kleidet sich sehr salopp, fast nachlässig, und hat eine Vorliebe für tief ausgeschnittene und enge Oberteile. »So kann ich sie nicht auf die Kunden loslassen! Ich habe hier regelmäßig Verhandlungen mit den Geschäftsführungen der Partnerunternehmen. Wenn meine Assistentin so rumläuft, fällt das auf unser Unternehmen und somit auch auf mich zurück«, sagt die Inhaberin mir unverblümt. »Aber ich kann einer erwachsenen Frau doch nicht sagen: ›Ziehen Sie sich mal was Ordentliches an!‹ Das sollte sie schon selber wissen.« Die Inhaberin überlegt daher, Marie mit einem sehr guten Praktikumszeugnis ziehen zu lassen.

Rückmeldung zu geben ist ein Zeichen des Respekts

In solchen Fällen, wenn die eigene Toleranz an Grenzen stößt und eine Verhaltensänderung beim anderen unausweichlich ist, führt kein Weg an offenen Worten vorbei. Vielen Menschen fällt es schwer, Klartext zu reden, ohne das Gegenüber zu verletzen. Doch ist es fair, zu schweigen und Marie den Job gar nicht erst anzubieten? Ich habe dazu eine sehr klare Meinung: Offenes Feedback zu geben ist auch eine Frage des Respekts vor dem anderen. Wenn ich eine Person wertschätze, sollte ich mich nicht davor drücken, ihr eine unangenehme Wahrheit zu sagen. Denn das »Davordrücken« ist in meinen Augen oft egoistisch (ich traue mich nicht, ich weiche aus). Entscheidend ist – wie so oft – das Wie. Bewährt hat sich ein Ansatz, der sowohl in Seminaren mit Mitarbeitenden, Teams und Führungskräften als auch im privaten Kontext richtig gut funktioniert: das WWW-Modell.

1. W – Wahrnehmung

Das Modell setzt im ersten Schritt auf die sachliche Formulierung von konkreten Beobachtungen (»Wahrnehmung«) aus der Ich-Perspektive. Darunter fällt alles, was auch eine Kamera aufzeichnen würde. Auf Bewertungen, Verallgemeinerungen (wie »ständig«, »immer«) und Hypothesen (warum ist das wohl so?) wird konsequent verzichtet. Im Fall von Marie könnte die Chefin zum Beispiel sagen: »Marie, ich habe gestern und vorgestern gesehen, dass Sie figurbetonte Oberteile mit einem Ausschnitt getragen haben, der mir ermöglichte, Ihr Dekolleté zu sehen.« Diese Aussage ist wertfrei, im Unterschied zu Formulierungen wie »Mir ist aufgefallen, dass Sie sich sehr aufreizend kleiden« oder gar »Marie, Sie sind hier im Büro und nicht auf einer Party!«.

2. W – (Aus-)Wirkung

Auf die sachliche Beschreibung folgt ein Hinweis auf die grundsätzliche Auswirkung dieses Verhaltens und/oder die persönliche Einschätzung – die Wirkung des Verhaltens auf mich. Maries Chefin könnte beispielsweise ausführen: »Das kann bei unseren Geschäftspartnern und im Kollegenkreis zu Irritationen und zur Ablenkung führen. Außerdem habe ich die Sorge, dass Sie nicht ernst genommen werden könnten, wenn Sie Kunden in diesen Oberteilen in Empfang nehmen.« Gefragt sind hier wieder »Ich-Botschaften«, also Bemerkungen dazu, wie es einem selbst mit dem Verhalten des anderen geht: »Ich empfinde das als …«, »Mir macht das Sorgen, weil …«, »Das bringt mich in eine schwierige Lage, denn …« Ich-Botschaften sind im Allgemeinen wirksamer als Du-Botschaften, die vom anderen schnell als persönlich verletzend empfunden werden (z. B. »Sie sind nicht richtig angezogen«). Niemand lässt sich gern von jemand anderem erklären, wie er ist oder zu sein hat. Du-Botschaften provozieren Gegenwehr, während Ich-Botschaften denjenigen, der das Feedback erhält, tendenziell zu Öffnung und Annehmen einladen.

3. W – Wunsch (oder ErWartung)

Um das Feedback abzurunden, sollte auch die eigene Erwartung (oder ein Wunsch) an den anderen klar und unmissverständlich formuliert werden. Gerne kann danach auch Hilfe angeboten werden, wenn es sinnvoll ist. Im Beispiel: »Ich wünsche mir / Ich erwarte für unsere zukünftige Zusammenarbeit, dass Sie Oberteile tragen, die weniger figurbetont sind und Ihr Dekolleté verdecken. Wenn Sie bei der Kleiderwahl unsicher sind und / oder Fragen haben, sprechen Sie mich gerne an, dann helfe ich dabei.«

Sachliches und konstruktives Feedback mit dem WWW-Modell

 

W | Wahrnehmung

 

• Was habe ich wahrgenommen?

• Was genau ist geschehen?

• Wie habe ich das erlebt?

 

Wichtig:

• Beispiele, Fakten, Beobachtbares, konkrete Situation benennen und im »Ich« sprechen.

• Verhalten ansprechen, nicht Charaktereigenschaften.

 

W | (Aus-)Wirkung

 

• Welche (Aus-)Wirkung hat das Wahrgenommene grundsätzlich (auf mich persönlich, meine Gefühle, meine Pläne, meine Sorgen, unsere Produkte bzw. das Unternehmen)?

 

Wichtig:

• Ich-Botschaften.

 

W | Wunsch/ErWartung

 

• »Ich wünsche mir stattdessen …« / »Ich schlage vor …«

• »Ich erwarte …«

 

Wichtig:

• Eindeutige sachliche Aussage.

Im Unternehmen können, insbesondere bei disziplinarischen Fragen in der Führung, noch zwei weitere Schritte hinzukommen. Der erste ist die formelle Vereinbarung des gewünschten Verhaltens, etwa dass jemand in Zukunft pünktlicher ist, also eine Art mündlicher Vertrag: »Ich fasse zusammen: Wir sind uns einig, dass Sie zukünftig …« Dazu gehört auch eine klare Aussage, wann die Einhaltung dieses »Vertrages« kontrolliert wird: »Wir treffen uns dann in zwei Wochen, um zu schauen, ob funktioniert hat, was wir besprochen haben.« Abgeschlossen ist das Feedback dann erst mit dem zweiten Schritt, der angekündigten Kontrolle. Hier setzen sich beide Parteien zusammen, prüfen, ob eine Verhaltensänderung eingetreten ist. Zum Feedback der Führungskraft gehört dann auch die Anerkennung des Umgesetzten.

Der Dreischritt WWW mag sich zunächst etwas formal und künstlich anfühlen, besonders im privaten Bereich. Sich an dieses Schema zu halten verhindert aber, dass wir in gewohnte Muster zurückfallen. Dazu gehören persönliche Angriffe, Generalisierungen und Pauschalvorwürfe. Wenn wir spontan reagieren, sagen wir eben eher nicht: »Mir ist aufgefallen, dass du in der letzten Woche dreimal den Einkaufszettel vergessen hast und ich dann den Einkauf selbst erledigen musste, obwohl das anders besprochen war.« Eher sagen wir etwas wie: »Was fällt dir eigentlich ein? Ständig vergisst du den Einkaufszettel und ich muss das dann ausbaden.« Mit dem Feedback- Schema vermeiden wir das und sprechen aus dem sachlichen Erwachsenen-Ich. Anders gesagt: Wenn wir mit dem zweiten »W« die Wirkung des Verhaltens auf uns selbst beschreiben, reden wir über ein Gefühl, nicht aus einem Gefühl heraus. Beispiel: »Dass du den Zettel vergisst, wenn du dran bist, und ich dann einkaufen muss, empfinde ich als rücksichtslos.«

Klar ist, dass vor allem negatives Feedback ausschließlich unter vier Augen erteilt werden sollte. Maßregelungen vor Publikum gehen nach hinten los, weil die oder der Kritisierte dann mehr damit beschäftigt ist, das Gesicht zu wahren, als sich mit der Sache als solcher auseinanderzusetzen. Das gilt nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder: Kritik vor Dritten ist demütigend. Wenn Sie also dringend eine Verhaltensänderung beim Gegenüber herbeiführen wollen, fragen Sie sich am besten:

1) Ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür, dieses Thema anzusprechen, oder bin ich noch zu verärgert?

2) An welchen konkreten Beobachtungen kann ich meine Kritik festmachen? (Wie vermeide ich Unterstellungen und Pauschalvorwürfe?)

3) Welche Ich-Botschaft will ich formulieren? (Wie bleibe ich sachlich?)

4) Wie lautet meine konkrete Erwartung, mein Wunsch für zukünftiges Verhalten?

5) Wann kann ich die andere Person unter vier Augen dazu sprechen, idealerweise so schnell wie möglich?

Es versteht sich von selbst, dass wir uns als Feedback-Nehmer so verhalten sollten, wie wir uns das vom Gegenüber wünschen, wenn wir Feedback geben: aufmerksam zuhörend, offen für Hinweise und ohne voreilige Rechtfertigungen. Ein »Danke« ist eine passende Reaktion auf ein gut formuliertes Feedback. Denn: Ehrliches Feedback ist eine Chance, zu lernen und zu wachsen. Es fällt den wenigsten Personen leicht, höfliches und zugleich kritisches Feedback zu formulieren. Betrachten wir es daher als Geschenk!

Weitere Strategien, wie Sie die Menschen, die Sie eigentlich am liebsten ändern würden, ab sofort anders behandeln können, finden Sie in Nele Kreyßigs Buch Warum es Bullshit ist, andere ändern zu wollen.

Für alle, die jetzt neugierig geworden sind und gerne noch mehr über die GABAL Autorin und ihren neuen Ratgeber wissen möchten, lohnt sich auch der Blick auf die Buchseite zum Titel. Neben einem Begrüßungsvideo, in dem Nele Kreyßig ihr Werk vorstellt, finden Sie hier eine Online Lesung der Autorin aus ihrem neuen Ratgeber. Denn nachdem Nele Kreyßigs geplante Live-Buch-Premiere zusammen mit der Leipziger Buchmesse ins Wasser fiel, schwenkte die HR-Fachfrau und Unternehmerin kurzerhand auf eine digitale Lösung um.

Auf der Buchseite haben Interessierte außerdem die Möglichkeit, Arbeitsblätter sowie weiteres Bonusmaterial zum Titel sowie die Postkarte „Erste Hilfe bei Ärger-Alarm“ kostenfrei herunterzuladen. Sie erfahren, was andere Leser über das Werk sagen oder können direkt selbst einen Blick in Nele Kreyßigs neues Buch werfen. Mehr über die Speakerin und Autorin sowie über wichtige Meilensteine in ihrem Leben finden Sie auch auf Nele Kreyßigs Website.

Viele weitere exklusive Background-Informationen rund um den Ratgeber erhalten Sie in unserer Podcast-Folge von „1 Buch – 5 Fragen“ mit Nele Kreyßig oder in unserer „Klug durch die Krise“-Reihe. In dieser liest die Autorin nicht nur höchstpersönlich aus ihrem neuen Buch vor, sondern beantwortet zusätzlich zahlreiche Fragen: Weshalb hat sie den Titel geschrieben? Was ist ihr Anliegen hinter dem Buch? Worum geht’s? Und welchen ganz persönlichen Nutzen können wir aus diesem Ratgeber ziehen? Garantiert keinen Bullshit hören Sie auch im Podcast Herz und Hirn, den Nele Kreyßig zusammen mit Stefan Lapenat betreibt. In diesem spricht das Duo über die Veränderungen in der Arbeitswelt und zeigt praxiserprobte Strategien auf, wie wir diese am besten in unserer Rolle als Führungskraft, Mitarbeiter und Mensch umsetzen können – natürlich mit Herz und Hirn.

Die Autorin

Nele Kreyßig ist Geschäftsführerin des HRperformance Instituts in Freiburg. Die HR-Fachfrau und Unternehmerin ist eine gefragte Dolmetscherin zwischen den Welten „Mensch“ und „Unternehmen“. Als Expertin für Persönlichkeit, Generationenvielfalt, Potenzialnutzung und moderne Führungshaltung zeigt Nele Kreyßig auf, wie viel Potenzial und Kapital in Unternehmen und in unserer Gesellschaft dadurch verloren geht, dass Menschen einander seltsam finden, nur weil sie „anders“ sind. Sie ruft auf zu einem gesunden Mix aus Kompetenzen, Persönlichkeiten, Altersstrukturen und Lebensvisionen. Seit 2014 ist sie als selbstständige Beraterin und Business-Trainerin bundesweit im Einsatz und berät Mittelständler und Konzerne. 2017 gründete sie mit Stefan Lapenat ihr eigenes Beratungsinstitut, in dem sie mit 15 Kollegen und Kolleginnen bundesweit daran mitwirkt, vorhandene Ressourcen und Potenziale in Menschen und Unternehmen nutzbar zu machen. Neben einem B.A. in Business Administration verfügt Nele Kreyßig über zahlreiche Zusatzqualifikationen als Business-Trainerin, Management-Coach, Expertin und Ausbilderin für die MotivationsPotenzialAnalyse MPA® und Trainerin und Coach für Stressmanagement. Sie ist Mitglied im Führungskreis des BDVT (Berufsverband für Training, Beratung und Coaching), Professional Member der GSA (German Speaker Association) und Mitglied bei den Wirtschaftsjunioren in Freiburg.