"Unternehmertum ist nichts für Feiglinge" von Günter Schmitz

Statt Aufbruchstimmung und Wandel durchdringt täglicher Ärger die Unternehmen: Unzuverlässige Lieferanten, zu anspruchsvolle Kunden, unmotivierte Mitarbeiter – viele Firmen führen einen täglichen Kleinkrieg. Schließlich geht es ums Prinzip. In Unternehmertum ist nichts für Feiglinge legt Günter Schmitz den Finger in Unternehmenswunden und stellt die entscheidende Frage: „Wollen Sie recht haben oder gewinnen?“ Unternehmenserfolg ist für Schmitz eine klare Frage von Haltung und Persönlichkeit der Entrepreneure. Eine davon ist, rechtsrum statt linksrum zu denken.

Denken Sie rechtsrum statt linksrum

Wenn ich Ihnen nur eine einzige Empfehlung geben dürfte, so wäre es diese: Hören Sie auf zu fragen: »Wer hat recht?«, und ersetzen Sie diese Frage konsequent durch eine andere: »Was ist in dieser Situation richtig?« Richtig ist, was Ihre Kunden zufriedenstellt, am besten begeistert. Das nützt auch Ihrem Unternehmen. Richtig ist ferner, was Aufwand vermeidet, der sich unterm Strich nicht auszahlt – gleichgültig, ob es sich dabei um Zeit, um Geld oder um Ihren Seelenfrieden handelt. Das klingt eigentlich selbstverständlich. Ist es aber nicht. Viele Handwerker sind ausgezeichnete Fachleute, aber miserable Verkäufer, auch durch ihren Hang zur Rechthaberei. Sie wissen, wie es geht, und wollen ihren Kunden unbedingt an ihrer Sichtweise teilhaben lassen. Die Folge sind Belehrungen und Besserwisserei. Im schlimmsten Fall erklärt dann der Handwerker dem Kunden, wie sein neues Bad auszusehen hat (»Da machen wir ’ne Lackspanndecke, das sieht super aus!«), ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was der Kunde möchte. »Das hat man heute nicht mehr!« oder »Das ist zurzeit sehr gefragt« sind aber heutzutage keine überzeugenden Verkaufsargumente mehr. Wer rechthaberisch auftritt, verliert Vertrauen, Kunden und am Ende Umsatz. Ein erfolgreicher Unternehmer will die Welt nicht belehren, sondern Kundenwünsche erfüllen. Er verkauft Lösungen, nicht Produkte. Gelingt ihm das, schätzen Kunden ihn als vertrauenswürdigen Partner.

Mit »rechtsrum statt linksrum denken« meine ich, nicht brachial das eigene Recht oder die eigene Sichtweise durchsetzen zu wollen. Das heißt, nicht dem nächstliegenden Impuls zu folgen – nicht machen, was alle machen, sondern machen, was Kundenwünschen und damit auch Unternehmensinteressen dient. Das wiederum erfordert, vom Ende her zu denken. Bereit sein, aus gewohnten Routinen auszusteigen und eine Lösung zu finden, die unterm Strich für alle von Vorteil ist. Beispiele aus dem Coplaning-Alltag, jenseits der schon beschriebenen Kaffee-Karte:

  • Kein Mensch möchte ausgerechnet im Dezember eine neue Haustür einbauen lassen? Das ändert sich, wenn es als Bonus einen großen Weihnachtsbaum dazugibt, der kostenlos gebracht, aufgestellt und nach dem Fest wieder abgeholt wird. Auf diese Weise verkauften und montierten wir 80 hochwertige Türen in der Saure-Gurken-Zeit. Wir hatten eins der lästigen Dezemberprobleme (Wer besorgt den Baum?) gelöst, mit für uns recht überschaubarem Aufwand.
  • Monteure verbringen zu viel Zeit an der Tankstelle, um sich mit Kaffee und Brötchen zu versorgen? Statt zu predigen und zu mahnen, bieten wir im Unternehmen ein kostenloses Firmenfrühstück an. Damit erledigt sich das Problem von selbst.
  • Außenstände gehen an die Substanz, Kunden zahlen schleppend und wollen immer über Rabatte diskutieren? Bei Coplaning gibt es keine Rabatte, jeder Kunde zahlt für die gleiche Leistung den gleichen Preis. Wer allerdings binnen fünf Tagen 80 Prozent im Voraus zahlt, bekommt fünf Prozent Skonto. Das wird auf einer »Spar-Urkunde« dokumentiert, die wir dem Kunden bei Auftragserteilung gegenzeichnen und überreichen. Folge: Unsere Außenstände bewegen sich im Promillebereich.
  • Es ist uns nicht gelungen, einen Kunden von unserem Angebot zu überzeugen? Statt verschnupft zu schweigen, schicken wir dem Kunden eine Entschuldigungskarte, auf der wir bedauern, dass wir nicht gut genug waren, ihn als Kunden zu gewinnen. Wir wünschen ihm, dass er die richtige Wahl getroffen hat, und ermuntern ihn, gerne wieder auf uns zuzukommen, wenn eine weitere Baumaßnahme ansteht. Da wir wissen, wie der Service anderswo aussieht, haben wir auf diese Weise schon etliche Rückkehrer begeistert.

Wenn Ihnen das jetzt zu schnell ging: All diese Beispiele werden in den nächsten Kapiteln noch ausführlich erläutert. Sie können gerne selbst ausprobieren, was für Ihr Unternehmen passt. In allen Fällen geht es darum, nicht dem ersten Gedanken zu folgen, der einem durch den Kopf schießt, sondern um die Ecke zu denken. Ich kenne einen Restaurantbetreiber, der aufhört, seine Gäste auf der Straße zu grüßen, wenn sie mal ein paar Monate nicht mehr bei ihm waren. Er folgt damit vermutlich einem spontanen Impuls. Doch glaubt er wirklich, damit lockt er Leute zurück in sein Lokal?

Mit dem »Um-die-Ecke-Denken« haben sich übrigens auch Philosophen befasst. Paul Watzlawick, ein bekannter Kommunikationsforscher, spricht in diesem Zusammenhang von »Lösungen zweiter Ordnung«. Während Lösungen erster Ordnung innerhalb eines vorgegebenen Rahmens bleiben und üblich oder naheliegend sind, beruhen Lösungen zweiter Ordnung auf einem gedanklichen Sprung. Sie überschreiten den selbst gesetzten Rahmen, betrachten die Situation von außen und gelangen zu neuen  Schlussfolgerungen. Watzlawick gibt dafür ein schönes Beispiel: Die Herzogin von Tirol, Margareta Maultasch, belagerte mit ihren Truppen 1334 die Burg Hochosterwitz in Kärnten. Nach einigen Wochen waren die Vorräte der Burgbewohner bis auf zwei Sack Gerste und einen Ochsen aufgebraucht. Wie hätten Sie als Befehlshaber auf der Burg gehandelt? Rationierung? Ausbruchsversuch? Der Verantwortliche auf der Burg ließ den Ochsen schlachten und seinen Bauch mit der Gerste stopfen. Dann wurde das Tier über die Burgmauer geworfen, den Belagerern sozusagen vor die Füße. Margareta, deren Truppen ohnehin schon demoralisiert waren, gab auf und zog ab: Wer sich so etwas leisten konnte, würde vermutlich noch Monate durchhalten können! (Vgl. Watzlawick u. a. 2013, S. 11.)

Mich hat diese Geschichte an zwei verfeindete Unternehmenserben erinnert, die sich gegenseitig mit Prozessen überzogen, fünfstellige Anwaltshonorare verbraten und das Unternehmen schon fast an die Wand gefahren hatten. Ich konnte in Einzelgesprächen einen von beiden überzeugen, dem anderen in einem Punkt freiwillig entgegenzukommen, ihm sozusagen etwas zu schenken, statt nach dem Motto »wie du mir, so ich dir« weiter auf seinem Recht zu beharren. Das wirkte so entwaffnend, dass die beiden wieder an einem Tisch sitzen und sich tatsächlich Punkt für Punkt einigen konnten. Denken Sie vom Ende her, statt auf Ihrem Recht zu beharren!

Der Autor

Günter Schmitz ist Gründer von Coplaning und Vollblutunternehmer. Er führte sein Handwerksunternehmen zum über die Region hinaus bekannten und vielfach preisgekrönten Premiumanbieter, der mit außergewöhnlichem Service, innovativen Produkten und menschenorientierter Mitarbeiterführung überzeugt. Ab 2008 vermittelte er in der eigenen Akademie Denkhouse seinen praktischen Erfahrungsschatz und seine unternehmerische Energie auch in Seminaren und Vorträgen, während er gleichzeitig das eigene Unternehmen weiterentwickelte und auf Erfolgskurs hielt. 2011 erhielt Coplaning den europäischen Qualitätspreis für herausragende Kundenbegeisterung (EFQM) und wurde 2016 im internationalen Wettbewerb Great Place to Work zum zweitbesten Arbeitgeber Europas gekürt. Inzwischen hat Günter Schmitz ein neues Unternehmen gegründet, das sich noch ehrgeizigere Ziele setzt und den Schritt vom klassischen Handwerksbetrieb zur Dienstleistungsmanufaktur geht. Relive konzipiert, plant und errichtet voll ausgestattete Premiumhäuser zum Festpreis in Rekordzeit. Der Schwerpunkt liegt hier auf Neubauten, während Coplaning sich weiterhin auf die umfassende Modernisierung von Privatimmobilien konzentriert. Sein Unternehmerwissen stellt Günter Schmitz seit 2018 bei individuellen Coachings und Vorträgen sowie in Webinaren zur Verfügung. Er lebt mit seiner Frau Roswitha und seinen drei Kindern in Deutschland.