Kostspielige Konflikte

Der lockere, freche Umgangston und die praxisnahen Geschichten machen Die Konflikt-Bibel von Christoph Maria Michalski zu einem echten Highlight. Dass Konflikte Geld kosten und wie man erbosten Kunden charmant den Wind aus den Segeln nimmt, erklärt er in diesem Auszug.

These 5: Konflikte kosten Kohle

Viele Unternehmer halten die Diskussion um Konflikte für Diskussionskerzen-Gedöns. Sie sind halt da und wir reden auch ganz offen darüber. Gefühlsmäßig gleichen die Konflikte eher umherschwirrenden Fliegen, die zwar stören, aber die Wertschöpfungskette nicht wesentlich beeinflussen.  

In einer schwarz-weißen Welt gibt es zwei Möglichkeiten, den Gewinn zu steigern: Umsatz erhöhen oder Kosten reduzieren, am liebsten beides zugleich. In beiden Denkrichtungen bietet Konfliktbearbeitung im wahrsten Sinne des Wortes eine Geldgrube.

Wesentlicher Bestandteil von Konflikten sind Emotionen. Wir erleben es täglich am eigenen Leibe, dass wir genau über diese Hormonschwankungen Kaufentscheidungen treffen. Jeder! – auch auf die Gefahr hin Klischees zu bedienen: Das Sportfahrwerk des neuen Familienautos dient lediglich dazu, bei einem Überholvorgang die Sicherheit der Familie zu gewährleisten. Die Küchenoberfläche besteht aus hochwertigem Material, das besonders keimtötend ist und somit für noch mehr Hygiene sorgt. Meine Berufsalternative wäre, Inhaber einer Firma für Hanteln und Trimmräder zu sein: Als Alibi gekauft, jetzt endlich gesünder zu leben, mehr Sport zu treiben, liegen sie seit zwei Jahren mit der natürlich erworbenen Staubschicht eingelagert im Keller.

Eine Anmerkung in eigener Sache: Motorradfahren ist ein Lebensgefühl, nicht die Fortbewegung auf zwei Rädern. Diesen Traum verkauft Harley-Davidson, und Sie sehen es an schönen Sommertagen. Grauhaarige Kuttenträger fahren ihr Traummotorrad mit Kilometerstand 2.138 am Sonntag spazieren, das ist pure Emotion. Einmal „born to be wild“ zur Eisdiele und zurück. Umsatzsteigerung bedeutet also, die inneren und äußeren Konflikte der Kunden zu verstehen, den Kaufimpuls auszulösen und eine Linderung der Schmerzen zu versprechen.

In dieselbe Kerbe haut es, wenn es um Reklamationen geht oder unzufriedene Kunden, die umtauschen. In der Vertriebsliteratur geistert die Zahl herum, dass es fünf-bis zehnmal so teuer ist, einen neuen Kunden zu werben, statt einen Bestandskunden zu halten.

Mir ist es einmal passiert, als ich ein teures elektronisches Gerät erworben hatte, das in der Garantiezeit seine Spielfreudigkeit einbüßte. Nach der ordnungsgemäßen Registrierung und mental beinahe steuerungslos, rief ich also wutentbrannt die Hotline an. Ich wollte mal richtig Dampf ablassen. Eine freundliche Telefonstimme empfing mich mit folgenden Worten: „Guten Tag Herr Michalski, ich kann mir vorstellen, warum sie anrufen. Das ist ja wirklich ärgerlich: Ihr neues Gerät ging nach ein paar Wochen kaputt und wegen der Reparatur haben Sie bisher nichts von uns gehört. Ich sehe gerade, dass das Gerät heute in die Post gegangen ist und wir Ihnen als Entschädigung zwei Disks in das Paket gepackt haben.“ Ich stammelte ein „Danke“ und verabschiedete mich höflich - meine Wut war rückstandsfrei verflogen. Das alles nur, weil die professionelle Telefonistin genau den richtigen Hebel gefunden hatte.

Mir kam erst Jahre später in die Gehirnrinde, wie dieses Telefonat funktioniert hatte. Woher wusste die Telefonistin, wer ich bin und was ich wollte? Die Antwort lautet CRM, Customer Relationship Management mit CTI, Computer Telephony Integration. Alle Daten und Kontaktprotokolle sind in einem Programm hinterlegt, in dem meine Kundenhistorie und Kontaktanlässe lückenlos dokumentiert sind. Mit der CTI poppt bei eingehendem Anruf dieser Datensatz im Blickfeld der Telefonistin auf. In meinem Fall hatte sie messerscharf gefolgert, dass dies kein Sympathieanruf sei und mir durch ihre elegante Art und Weise den Wind aus den Segeln genommen. Gratulation und tiefen Respekt vor so viel Professionalität!

Der Autor

Christoph Maria Michalski ist Unternehmer eines Start-ups zum Digital Leadership, ehemaliger Geschäftsführer eines Bildungsträgers mit über 700 Mitarbeitenden und seit 2010 als Konfliktnavigator tätig. Er beschäftigt sich vor allem mit Fragen nach der Entstehung und dem richtigen Umgang mit Konflikten. Dabei verbindet er in seinen Lösungsvorschlägen methodische Vielfalt und technische Präzision