Das pure Leben spüren

Mit Das pure Leben spüren erhalten Sie keinen weiteren Ratgeber der „Lebe-deinen-Traum-Literatur“. Vielmehr lässt Sie Barbara Messer in ihrem Buch – oder Tagebuch – teilhaben an einem Abenteuer. Es beginnt mit der emotionalen Trennung vom gewohnten Alltag, erzählt vom Sortieren der vielen Erinnerungsstücke und fasziniert schließlich mit den unzähligen Geschichten, die der Neuanfang als Business Nomadin bereithält. Vom Zauber dieser kleinen Dinge erzählt der folgende Ausschnitt.

Der Zauber der kleinen Momente

Eine Tasse Tee mit Blick auf den Rhein.
Eingemummelt in eine Wolldecke auf dem kleinen Klapphocker sitzend und der Katze zuschauen, wie sie am Waldrand spielt.
Ein morgendlicher Blick aus dem Fenster über den Frühnebel in einer Talsohle.
Ein freundlicher Landwirt, der einen Plausch anbietet.
Ein einsamer Platz am See, nur einmal am Tag kommt ein Angler vorbei.
Der neue Blick auf eine Ortschaft.
Ein Sonnenaufgang über der Elbe.
Eine Partie Schach, auf einer Wiese sitzend.
Das Spiel der Libellen am Ufer des Baches.
Das Picknick mit Freunden.
Ein sicherer Platz.
Eine warme Suppe nach einem Spaziergang.
Der Katze zuschauen und zuhören, wie sie morgens im Bett einen kleinen Napf Milch leer trinkt.

Das sind sie, die kleinen Momente der Freude. Unverhofft und unkompliziert – einfach im Moment entstanden. Der Zauber eines Momentes, manchmal flüchtig, manchmal erst im Nachhinein als solcher erkennbar.
Mein Alltag ist in diesem Jahr sehr intensiv – ich lebe sehr offen, transparent und in anderen Abhängigkeiten als in einer festen Wohnung oder einem festen Haus. Die Nähe zum Wetter, zur Umgebung und zur Natur ist allgegenwärtig. Ist die Tür geöffnet, betrete ich mit einem Schritt die Welt.

Die schönen Momente, die ich erlebe, sind nicht immer als solche geplant. Oft genug gibt es vorher eine Panne oder Schwierigkeit und diese dreht sich dann, sodass z. B. durch die Situationskomik das Schöne wahrhaftig wird.
Dies sind Momente, wo die Uhr des Alltags einfach anhält. Wo ich sie anhalte, um den Moment zu genießen.

Es ist der Zauber des gegenwärtigen Augenblicks. Und selbst den können wir nicht festhalten, er zerrinnt ebenso wie die Zeit. Und doch können wir ihn verstärken und vertiefen, indem wir wahrnehmen, was gerade zu erfahren, wahrzunehmen und zu fühlen ist.
Viele Menschen bezeichnen das als Achtsamkeit.

Für mich ist diese auf den Moment bezogene Achtsamkeit der Schlüssel, einem Tag mehr Leben zu geben – Sie wissen, ich beziehe mich auf das Zitat von Cicely Saunders: »Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.«

In diesem Jahr habe ich fast alle meine bisherigen Routinen verlassen, nichts war mehr so wie vorher – Fluch und Segen zugleich, denn das Verlassen von Routinen wirbelt erst einmal vieles durcheinander. Dadurch konnte ich besser differenzieren, was für mich wertvoll ist und was unwichtig. Fernsehen fiel komplett weg – dafür saß ich oft so lange wie möglich draußen, um die Umgebung wahrzunehmen:

Was ist zu sehen, zu hören, zu riechen und zu spüren? Wie reden die Menschen, wie strömt der Fluss, an dem ich gerade sitze? (Meine Lieblingsflüsse in diesem Jahr waren und sind der Rhein und die Donau.) Wie geht die Sonne unter, wie verändert sich die Temperatur mit beginnendem Herbst, Winter und endlich wieder Frühjahr? Wie lodert das Feuer, das ich zur Wintersonnenwende im tiefen Thüringer Wald anzünde?

Durch diese vielen Möglichkeiten lernte ich, meine Sinne und Intuition noch mehr zu schulen und auch die Gedanken besser zu fokussieren. Der Alltag im Wohnmobil forderte meine Aufmerksamkeit – Unvorsichtigkeiten und Unaufmerksamkeiten hatten schnell Folgen, wie ein nicht gut verschlossenes Gepäckfach an der Außenseite, aus dem in einer Kurve Dinge herausfallen, zu wenig Frischwasser, ein umgekippter Kaffeetopf auf Schriftstücken …
Mehr und mehr erlernte ich, wacher und konzentrierter im Jetzt zu sein, den gegenwärtigen Moment wahrzunehmen.

Und so purzelte ich in viele intensive Momente, die meine Tage bereicherten. Und aus dem Purzeln wurde recht schnell ein bewusster Prozess, eine Klarheit im Wahrnehmen des Moments und ein sehr bewusstes Handeln und Da-Sein.
So wurde aber auch das Notwendige zum Erlebnis.

Je nach Wasserverbrauch hatten wir alle paar Tage neues Wasser aufzufüllen. Obwohl viele Wohnmobilisten das mit einem Schlauch machen, hielten wir an unserer Gießkanne fest.
Eine Sorge war, dass sich im Schlauch Restwasser sammeln könnte, was dann möglicherweise im Gepäckraum auslaufen könnte. Und mit der Gießkanne konnten wir auch »mal eben« eine Kanne voll Wasser erbitten oder organisieren.

Das Einfüllen von Wasser wurde mehr und mehr zu einer Art Meditation für mich. Immer schon fühlte ich mich zum Element Wasser hingezogen. Und in diesem Jahr wurde das Wasser so zu etwas Existenziellem, was mir vorher mit einem gut funktionierenden Wasserleitungssystem nicht so bewusst war. Auf vieles konnte ich verzichten – doch ohne Wasser lief nichts. Ich unterbrach einfach das Muster »Wasser holen und einfüllen ist langweilig« und ersetzte es durch »Wasser holen und einfüllen ist eine wichtige Aufgabe, sie verschafft mir Wohlbefinden«. Und so war es dann auch. Mehr und mehr genoss ich es, mit wasserfesten Schuhen und Regenjacke Wasser in die Gießkanne zu füllen, schwelgte mehr und mehr in meinen Erinnerungen an die vielen zufriedenen Stunden als Kind in der Sandkiste und füllte das Wasser ein, bis der Tank wieder voll war. Ein sinnliches Vergnügen – ein wertvoller Moment.

Von außen betrachtet sieht das sicherlich sehr idyllisch aus, ganz im Stile einer Wohnmobil-Werbung. Ein neues Wohnmobil, mitten in der heilen Natur, glückliche Menschen auf Campingstühlen, eine spielende Katze.

Aber das ist der Blick von außen. Von innen sieht es eben auch so aus wie sonst bei den meisten Menschen, die ich kenne: Die glücklichen Momente reihen sich unmittelbar an die unglücklichen. Manchmal laufen sie parallel, manches Mal gleich hintereinander. Die Kunst der Erkenntnis liegt aufseiten des Betrachters. Sorgen und Nöte haben wir alle – mal mehr, mal weniger. Es kommt darauf an, was wir aus dem Leben machen.
Mehr als sonst wurde mir die Qualität meiner Bewertungen von Situationen bewusst. Ein bedeutsamer Schlüssel für mehr Klarheit.

Die Autorin

Barbara Messer (Hannover) ist Bachelor of Business Administration, examinierte Altenpflegerin und verfügt über Ausbildungen in Sozialmanagement, Leitung Pflege, Validation und systemischen Strukturaufstellungen. Sie ist NLP-Master und -Trainerin sowie Ausbildungstrainerin für Suggestopädie und TMS® (Team Management System). Seit 1999 ist sie als selbstständige Trainerin tätig und hat bereits zahlreiche Fachbücher geschrieben.