Der Kompass für Ethik und Anstand - So bestimmen Sie den richtigen Kurs

Wichtig für jede Art der Führung ist die richtige und gesunde Basis. In diesem Auszug aus Führen ohne Psychotricks erklärt Frank Hagenow, wie Sie den Standort Ihres Teams ermitteln. Wie respektvoll ist ihr Umgang miteinander bereits und warum sind Anstand und Respekt im Unternehmensalltag überhaupt von so hoher Wichtigkeit?

Unter der Flagge von Anstand und Respekt

Wenn Sie unter der Flagge von Anstand und Respekt segeln wollen, brauchen Sie dafür eine Crew, die auch gewillt ist, unter Ihrem Kommando ihren Dienst zu tun. Eine Mannschaft, die das Ziel kennt, voll dahinter steht und auch bereit ist, sich auf Ihren Kurs einzulassen. Sie brauchen Menschen an Bord, die selbst bei rauem Wetter und stürmischer See an Ihrer Seite stehen und ihren Job machen, ohne zu meutern. Kurz, eine Truppe, auf die Sie sich verlassen können und die zusammen mit Ihnen für die gemeinsamen Unternehmensziele in dieselbe Richtung rudert. Andererseits braucht es einen Kapitän, der für diese Ziele steht und sie im alltäglichen Miteinander auch lebt. Und wie der Fisch bekanntlich vom Kopf her anfängt zu stinken, so legen gerade Sie in der Führungsrolle mit Ihrer Haltung und Ihren Handlungen den Grundstein dafür. Der Schlüssel für Anstand und Respekt liegt in der Wertschätzung, die Sie anderen gegenüber an den Tag legen. Dies hat zuallererst etwas mit Ihrer persönlichen Einstellung zu tun.

Gestatten wir uns einen kurzen Seitenblick zu Herrn Shakespeare: Hamlet bittet den Hofkämmerer Polonius darum, die soeben am Königshof eingetroffenen Schauspieler gut zu behandeln. Polonius versichert ihm, er wolle sie „nach ihrem Verdienst behandeln“. Darauf entgegnet Hamlet ihm ganz entsetzt: “Potz Wetter, Mann, viel besser! Behandelt jeden Menschen nach seinem Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher? Behandelt sie nach eurer eignen Ehre und Würdigkeit.“

Wie sieht es diesbezüglich in Ihrem Unternehmen aus? Hierzu ein paar Leitfragen:

•          Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter auch nach Ihrer eigenen „Ehre und Würdigkeit“? Wie denken Sie im Grunde Ihres Herzens über Ihre Mitarbeiter? Arbeiten diese für Sie oder mit Ihnen? Sind es Ihre Mitarbeiter oder verstehen Sie sich gemeinsam als Team?

•          Wo stehen Ihre Mitarbeiter im Vergleich zu Ihnen? Und zwar nicht bezogen auf ihre Position im Organigramm, sondern gefühlt. Stehen sie unter Ihnen und wenn ja, wie groß ist der Abstand zu Ihnen?

•          Stehen Ihre Mitarbeiter neben Ihnen; Seite an Seite? Und falls ja: Stehen dort alle Teammitglieder mit dem gleichem Abstand zu Ihnen oder stehen Ihnen einzelne näher?

•          Oder ist es vielleicht auch umgekehrt, dass einige Ihrer Mitarbeiter gefühlt über Ihnen stehen? Und wenn ja, welche und warum? Wie weit stehen sie über Ihnen? Stehen alle Ihrer Mitarbeiter oder nur einige davon gefühlt über Ihnen? Wenn es Unterschiede gibt: Was macht den Unterschied aus?

Wenn Sie erste Antworten auf diese Fragen gefunden haben, gehen Sie den nächsten Schritt und fragen sich:

•          Welches Verhalten von mir unterstützt diese Konstellation?

•          Was tue oder was unterlasse ich?

•          Womit bin ich zufrieden und was würde ich gern ändern?

•          Was müsste passieren, um die gewünschten Veränderungen herbeizuführen?

In vielen Fällen sind solche gefühlten oder tatsächlichen Konstellationen der Ausdruck Ihrer persönlichen Einstellungen und Sichtweisen. Denn alles nimmt an dieser Stelle seinen Anfang. Gerade beim Thema Respekt lässt sich dies gut verdeutlichen. Wie halten Sie es mit dem Respekt? Erwarten Sie Respekt von Ihren Mitarbeitern? Vermutlich ja. Aber welche Art von Respekt erwarten Sie genau? Möchten Sie, dass man Ihnen als Chef in Ihrer übergeordneten Position, mal übertrieben gesprochen, huldigt und Ihnen Ehrfurcht entgegenbringt? Aus meiner Erfahrung ist dies immer auch ein kleiner Teil, der in Führungspersönlichkeiten schlummert. Oder möchten Sie vor allem als Mensch, unabhängig von Ihrer Dienstklappenautorität, respektiert werden? Viele Chefs erwarten oder wünschen sich, dass Ihre Mitarbeiter sie aufgrund ihrer persönlichen Autorität oder vielleicht auch wegen ihres Charismas achten und respektieren. Allerdings verhalten sie sich insbesondere in Konfliktsituationen dann doch wieder eher autokratisch. Und dann wundern sie sich, dass der Respekt sowie die echte Anerkennung ihres Umfelds auf der Strecke bleiben.

Respektvolle Sprache

Ein weiterer Anhaltspunkt hinsichtlich des Respekts ist in Ihrer Sprache zu finden. Was und wie Sie sprechen, spiegelt Ihre Grundhaltungen und Meinungen wieder, da Sie mit jeder geäußerten Botschaft auch immer etwas über sich selbst nach außen vermitteln. Ob Sie wollen oder nicht („Man kann nicht nicht kommunizieren“). Wenn Sie Ihren eigenen Sprachstil einmal unter die Lupe nehmen, können Sie sich fragen:

 

•          Wie spreche ich mit meinen Mitarbeitern?

•          Dürften meine Mitarbeiter im selben Ton auch so mit mir sprechen? Wenn nein, warum nicht? Was würde mich daran stören?

•          Wäre unsere Beziehung in sprachlicher Hinsicht eigentlich umkehrbar?

 

Damit sind nicht die formalen, sachlichen Aspekte zwischen Ihnen und den Mitgliedern Ihres Teams gemeint, die selbstverständlich nicht umkehrbar sind. Denn als Führungskraft oder Vorgesetzter haben Sie schließlich von vornherein eine machtvollere Position, aus der Sie agieren und Dinge tun, die Ihre Mitarbeiter nicht tun können; wie z. B. Anweisungen geben, Abmahnungen oder Kündigungen aussprechen, Ziele vorgeben, überwachen, kontrollieren und bewerten. Dennoch stellt sich in hierarchischen Zusammenhängen immer die Frage nach der Umkehrbarkeit (Reversibilität). Also, ob Sie gegenüber Ihren Mitstreitern einen Ton anschlagen, den diese auch Ihnen gegenüber verwenden dürften.

Dort, wo Reversibilität möglich ist und tatsächlich auch gelebt wird, stehen die Chancen gut, dass Sie im Umgang mit Ihrem Team bereits unter der Flagge von Anstand und Respekt segeln.

Der Autor

Dr. Frank Hagenow ist promovierter Psychologe, Business-Coach und Keynote-Speaker. Als Kommunikations-Psychologe hat er viele Seminare für Führungskräfte sowie Konfliktklärungen durchgeführt und zahlreiche Topmanager begleitet. Darüber hinaus blickt er auf eigene, langjährige Erfahrungen als psychologischer Gutachter und Führungskraft zurück. Er verfügt über eine Zusatzausbildung „Beratung und Training“ bei Prof. Friedemann Schulz von Thun und hat für ein erfolgreiches Trainingskonzept zur professionellen Gesprächsführung seinen Doktortitel verliehen bekommen.
Frank Hagenow besitzt die europaweite Anerkennung als „Psychologe EuroPsy“ durch das European Certificate in Psychology der EFPA (European Federation of Psychologists' Associations). Seine Vorträge führen ihn immer wieder auch auf internationales Parkett wie z. B. nach China, Island, Österreich, Spanien oder in die USA.