Die Frage hinter der Frage
Jeder kennt die Situation: Man sitzt im Vorstellungsgespräch, der Personaler stellt eine Frage, aber irgendwie keimt in einem das Gefühl auf, dass der Interviewer eigentlich etwas ganz anderes aus einem herauskitzeln möchte als das Offensichtliche. Hans-Georg Willmann verrät in einem Auszug aus Wie Personaler ticken, welche die wahren Fragen sind, die den Personalverantwortlichen unter den Nägeln brennen.
Was wirklich zählt
Wir alle führen täglich Gespräche mit anderen Menschen und doch ergreift uns die Panik, wenn wir an das Job-Interview denken. Dann suchen wir wie wild nach Tipps und Tricks, was wir tun und was wir lassen sollen. Oder wir sagen uns, dass es ja auch nur ein Gespräch wie jedes andere ist und gehen einfach mal hin. Beide Strategien sind selten zielführend. Ein Job-Interview ist kein Alltagsgespräch. Trotzdem sollten Sie sich so natürlich wie möglich verhalten. Darauf muss man sich einstellen und vorbereiten, so wie auf das erste Date bei der Partnersuche.
Beziehung
Gleichgültig, ob es sich um ein Telefon-, ein Skype- oder ein Face-to-Face-Interview handelt und egal, ob Sie von einer Person oder von einem ganzen Auswahlgremium interviewt werden, für einen Arbeitgeber geht es dabei immer darum, die folgenden fünf Punkte herauszufinden:
• Mögen wir Sie?
• Können wir es uns vorstellen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten?
• Bringen Sie die Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse mit, die gebraucht werden?
• Sind Sie leistungsmotiviert?
• Passen Sie in die Unternehmens- und Teamkultur?
Den Personaler interessieren alle Details die darauf hindeuten, wie Sie als Mensch sind und wie Sie als neuer Mitarbeiter arbeiten werden. Um dies herauszufinden, hat ein Personaler fünf Prüfkriterien.
Die fünf Prüfkriterien der Personaler
Sobald Sie in einem Job-Interview mit dem Personalentscheider zusammensitzen, also ich meine den, der wirklich die Macht darüber hat, zu entscheiden Sie einzustellen, nicht nur jemanden, der damit beschäftigt ist, so viele Kandidaten wie möglich zu eliminieren, gibt es nur fünf essenzielle Fragen, die Sie beantworten können müssen. Auch wenn Ihnen diese Fragen nicht direkt oder vielleicht sogar gar nicht gestellt werden. Ein Personaler fragt sich immer:
1. Warum sind Sie hier? Das ist die Frage nach Ihrer Motivation. Warum wollen Sie für uns und nicht für ein anderes Unternehmen arbeiten? Was wissen Sie bereits über uns und darüber, was wir tun? Warum wollen oder müssen Sie weg von Ihrem alten Unternehmen?
2. Was können Sie für uns tun? Das ist die Frage nach Ihren Qualifikationen. Welche für den Arbeitgeber und die Stelle relevanten Erfahrungen, Fähigkeiten und Fachkenntnisse bringen Sie für die Aufgaben mit? Wie können Sie mit Ihren Kompetenzen zur Lösung unserer Probleme beitragen?
3. Was für ein Mensch sind Sie? Das ist die Frage nach Ihrer Persönlichkeit. Passen Sie zu unserem Unternehmen, in die Abteilung und ins Team (cultural fit und team fit)? Haben Sie die Art von Persönlichkeit, die es Kollegen und Chefs leichtmacht, mit Ihnen zusammenzuarbeiten?
4. Können wir es uns leisten, Sie einzustellen? Das ist die Frage nach dem Geld. Wie hoch sind Ihre Gehaltsvorstellungen? Wie hoch war Ihr letztes Gehalt? Sind Sie Ihren Preis wert?
5. Können wir Ihnen vertrauen? Das ist die Frage nach Ihrer Glaubwürdigkeit. Natürlich fragt Sie keiner danach, ob Sie glaubwürdig sind, ob man Ihnen vertrauen kann, ob Sie die Wahrheit sagen oder lügen. Zum Thema Glaubwürdigkeit werden keine Fragen gestellt. Ihre Glaubwürdigkeit wird als Nebenprodukt Ihrer Antworten (verbal) und Ihres Verhaltens (nonverbal) geprüft. Sie sind dann glaubwürdig, wenn das, was Sie mit Worten sagen und das, was Sie ohne Worte von sich zeigen übereinstimmt.
Oft zeigen sich Menschen in den großen Dingen und mit Worten, wie sie sein wollen, in den kleinen Dingen jedoch, wie sie wirklich sind.
Ein Beispiel: Ein Bewerber antwortet auf die Frage nach seinen persönlichen Stärken „Ich bin sehr sorgfältig und qualitätsbewusst.“ Der Blick des Personalers hat längst den abgelaufenen Absatz am Schuh, die starken Gebrauchsspuren an der Tasche und den Schreibblock mit Eselsohren gesehen. Der Personaler hat jetzt ein Problem. Welcher Information soll er glauben. Den Worten des Bewerbers oder dem, was der Bewerber zeigt? Aus der Psychologie weiß man, dass Menschen bei riskanten Entscheidungen immer dem glauben, was sie sehen – und nicht dem, was sie hören.
Personalentscheider verfügen über eine gute Menschenkenntnis und Wahrnehmungsfähigkeit. Selbst wenn sie nicht konkret benennen können warum Ihnen ein Bewerber suspekt erscheint, werden sie immer nach der goldenen Personaler-Regel vorgehen: Niemals aus dem Bauch und niemals gegen den Bauch einstellen. Und das bedeutet: Im Zweifelsfall gegen den Bewerber – auch wenn die Not in der Fachabteilung und die Notwendigkeit einer zügigen Stellenbesetzung noch so groß ist.
Der Autor
Hans-Georg Willmann ist Coach aus Leidenschaft. Als Experte für Willenskraft und Zielerreichung begleitet er Menschen dabei, den eigenen Weg zu gehen. Seine Mission: Menschen weiterbringen.
Sein eigener Weg führte ihn durch viele Länder dieser Welt. Mehr als vier Jahre lang reiste er mit dem Motorrad durch die Wüstenstaaten Afrikas und durchs Outback Australiens. Mit dem Rucksack durch Südostasien und den Südwesten der USA. Mit dem Fahrrad, zu Fuß, per Anhalter, Bus und Bahn durch ganz Europa. 2016 entschied er sich gemeinsam mit seiner Frau dazu, eine Zeit lang in Australien zu leben und zu arbeiten.
Willmann gründete 2003 sein eigenes Unternehmen für Personalberatung & Coaching. Der Diplom-Psychologe und zertifizierte Coach (Berufsverband Deutscher Psychologen) ist Autor zahlreicher Erfolgsratgeber.