Denkfehler bei Konflikten
Der Experte für Businessmoderation und Geschäftsführer der renommierten Beratungs- und Trainingsgesellschaft Moderatio® Josef W. Seifert stellt in Konfliktmoderation grundsätzliche Strategien zur Klärung von Konflikten und wiederkehrende Verhaltensmuster innerhalb eines Konflikts dar. Dabei deckt er typische Denkfehler im Bezug auf Konflikte auf und zeigt, wie ein Konfliktmoderator eine vielschichtige Rundumsicht entwickelt. Lesen Sie jetzt, wie man diese Denkirrtümer aus dem Weg räumt und die Sicht auf die wichtigen Dinge klärt:
Konflikte sind schlecht!
In China setzt sich der Begriff Konflikt aus dem Zeichen für »mögliche positive Veränderung« und dem Zeichen für »mögliche Gefahr« zusammen. Dementsprechend kann ein Konflikt sowohl als fortschrittshemmende Störung wie auch als unabdingbarer Motor und Stimulus sozialen Wandels gesehen werden. Ich finde diese chinesische »Doppeldeutigkeit « erwähnenswert, weil sie einen wichtigen Kern trifft: Jede Krise beinhaltet Chancen, wenige oder viele, das ist ganz unterschiedlich – nie aber keine! Dies sollte man als Konfliktmoderator verinnerlicht haben. Am leichtesten gelingt einem dies, wenn man das selbst schon durchlebt und erfahren hat, wenn man selbst die eine oder andere »Konfliktschramme« abgekriegt hat. Dennoch ist auch die Überzeugung wichtig, dass Konflikte nicht immer in »Harmonie« münden können oder müssen. Konfliktbearbeitung ist nicht das Streben, den Zustand wiederherzustellen, der »früher einmal« war. Vielmehr geht es darum, den Beteiligten und Betroffenen in einem ersten Schritt zu helfen anzuerkennen, was ist. In einem zweiten Schritt kann dann ein Verstehen erwachsen, wie es dazu kam, dass es ist, wie es nun einmal ist. Auf dieser Basis kann dann eine (Er)Lösung entstehen – eine Garantie gibt es dafür freilich nicht.
Hinterher ist es so, wie es einmal war!
Man sollte sich als Konfliktmoderator und freilich auch als Konfliktbeteiligter (da ist es nur ungemein schwerer) der Tiefe einer weiteren chinesischen Weisheit bewusst sein: »Du kannst nicht zweimal in denselben Fluss steigen!« Es wird niemals mehr so sein, wie es war, wie schlecht oder gut die Konfliktbearbeitung und Verarbeitung auch immer gelingen mag. Es wird danach schlechter oder besser, auf jeden Fall aber anders sein. Daraus folgt, dass es kindlich naiv, ja unredlich ist, als Konfliktmoderator als Ergebnis einer gemeinsamen Konfliktbearbeitung eine Konfliktlösung zu versprechen, die alles »heil macht«, sodass es hinterher wieder so ist, wie es »vorher einmal war«.
Konfliktbearbeitung bedeutet Konfliktlösung!
Die Anforderung an den Konfliktmoderator ist die, (bestenfalls) eine Klärung der Situation in Aussicht zu stellen, wohl wissend, dass er selbst diese nicht garantieren kann, da er es dazu fertigbringen muss, dass die Konfliktparteien 1. »auspacken« und 2. anerkennen, was ist, um 3. zu erkennen, wie es dazu kam, dass es jetzt ist, wie es ist, und um 4. das (Er)Finden von »Lösungen« erst zu ermöglichen. Gelingt dies, ist ein Stadium erreicht, in dem es möglich ist, darüber nachzudenken, was das nun für die gemeinsame – oder auch nicht gemeinsame – Zukunft bedeuten könnte, kann, wird ... Nur so und erst dann kann eine nachhaltige Lösung entstehen!
Eine Lösung muss »schön« sein!
Lösung muss nicht »Friede, Freude, Eierkuchen« heißen! Lösung kann auch heißen: »Wir finden keine Basis mehr für ein weiteres Miteinander. Das Gegeneinander soll (oder muss) aber dennoch aufhören. Die Lösung sieht so aus, dass wir uns trennen. « In einer Organisation kann das bedeuten, dass die Organisationsstruktur verändert wird, dass jemand die Abteilung wechselt oder die Organisation verlässt.
Ein Konflikt muss analysiert werden!
Bei der Auftragsklärung ist es wichtig, nicht zu wenig zu fragen, vielleicht aus Angst, begriffsstutzig zu wirken oder als inkompetent anzukommen. Andererseits sollte man unbedingt darauf achten, nicht zu tief einzusteigen. Das birgt nämlich die Gefahr, parteiisch zu werden, indem man sich zu sehr nur in die Seite hineindenkt, mit der man das Vorgespräch führt. Zudem ist darauf zu achten, dass »der Druck im Kessel« bleibt und der Gesprächspartner nicht schon jetzt entlastet wird und dadurch im Vorfeld der Eindruck entsteht, es sei ja »bereits alles gesagt«. Beides würde die spätere Klärungsarbeit erschweren. Daher macht es in aller Regel auch keinen Sinn, vorab mit weiteren oder gar allen Beteiligten zu sprechen. Meist reicht es, mit dem für den Konflikt Verantwortlichen den Auftrag zu klären. Möchte der Auftraggeber vor/zur Auftragsvergabe ein »Kennenlern-Treffen« oder/und, dass Einzelgespräche mit allen Beteiligten geführt werden, zeugt das lediglich von seiner Unsicherheit. Er will jetzt alles richtig machen und »auf Nummer sicher« gehen. Erklärt man sich zu einem Treffen bereit, muss man wissen, welchen Preis es kosten wird! Es empfiehlt sich, ein derartiges Ansinnen aus genannten Gründen abzulehnen. Es schadet meist mehr, als es nützt.
Der Autor
Josef W. Seifert ist Experte für Businessmoderation. Er ist Gründer, Gesellschafter und Geschäftsführer der renommierten Beratungs- und Trainingsgesellschaft Moderatio® in Pörnbach/Bayern und Autor zahlreicher Bücher zum Thema Moderation.