Audio: "Die Illusion der Unbesiegbarkeit" von Andreas Krebs und Paul Williams
Fehler treten im Unternehmensalltag immer wieder auf – das ist nicht weiter schlimm. Werden sie früh erkannt, ist Abhilfe schnell geleistet. Andreas Krebs und Paul Williams haben mit ihrem Hörbuch Die Illusion der Unbesiegbarkeit ganz andere Schwachstellen im Sinn: den Fehler im System. Lesen Sie hier einen Auszug über Probleme, wie sie sich über lange Zeiträume gerne in die Unternehmensstrukturen einschleichen.
Wenn der Fehler im System liegt
Der »wahre Gegner« eines Unternehmens ist in unserem Verständnis die Konkurrenz. Vielleicht hadern Sie mit dem Begriff der »Gegnerschaft «. Doch jenseits aller BWL-Euphemismen (»Marktbegleiter«, »Mitbewerber«, »Wettbewerber«) geht es im Kern darum, besser, schneller, erfolgreicher zu sein als andere, um Marktanteile zu sichern oder zu erobern. Was nicht unmittelbar oder mittelbar diesem Ziel dient, sondern ein Unternehmen daran hindert, seine Kunden zuverlässig zufriedenzustellen, ist ein Nebenkriegsschauplatz.
Solchen Ablenkungsfaktoren sollte man mit Argwohn begegnen. Dazu zählen auch die üblichen Abteilungsrivalitäten »Marketing gegen Vertrieb«, »Vertrieb gegen F&E«, »Zentrale gegen Niederlassung« usw. Natürlich gibt es sachlogisch bedingte Interessenkonflikte, die nicht völlig auszuräumen sind. Die Entwicklungsabteilung will meistens mehr Zeit, mehr Testreihen, der Vertrieb will in der Regel schnelle Ergebnisse und dergleichen. Die Schlüsselfrage ist jedoch, ob die Unternehmenskultur eine offene Kommunikation und transparente Lösung solcher Konflikte fördert oder ob sie das nicht zulässt und den taktisch Geschicktesten bzw. denen mit dem »besten Draht nach oben« das Feld überlässt. Am verheerendsten sind Kulturen, die der Maxime des »Teile und herrsche« folgen, in der irrigen Erwartung, auch interne Konkurrenz belebe das Geschäft. In solchen Kulturen blühen auf Dauer genau die Falschen auf, die mit Ehrgeiz und ohne Werte, um noch einmal Jack Welch zu bemühen. Wer eine Alternative hat, geht; wer bleiben »muss«, duckt sich weg und bleibt unter seinen Möglichkeiten. Angst war noch nie ein guter Motivator.
Ein Gradmesser dafür, wie es um die Kultur eines Unternehmens steht, ist, wer dort Karriere macht und aufsteigt. Welches Verhalten wird tatsächlich belohnt? Geschmeidige Anpassungsfähigkeit oder verantwortungsbewusste Klarheit, brachiale Dominanz oder die Fähigkeit zum Dialog, vordergründige Geschäftigkeit oder echte Leistungsorientierung? Welche unterschwelligen Incentives gelten im Unternehmen?v
Neben kulturellen »Fehlsteuerungen« von Verhaltensweisen, die den eigentlichen Unternehmenszielen zuwiderlaufen, können auch strukturelle Bedingungen Nebenkriegsschauplätze begünstigen. Gerade Großorganisationen scheinen dazu prädestiniert, organisatorische Wasserköpfe zu fördern.
Salopp gesagt: Was da ist, wird auch genutzt. Das ist heute nicht anders als in den Fünfzigerjahren, als Cyril Northcote Parkinson sein berühmtes Gesetz formulierte: »Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.« Das gilt erst recht, wenn es den (für manche Menschen) angenehmen Nebeneffekt hat, einen Teil der Verantwortung auf andere Schultern abzuwälzen. Hat die Abteilung »Strategische Evaluation« das Papier durchgewinkt, kann sich der eigentliche Urheber entspannen, Denkfehler gehen nicht mehr allein auf sein Konto.
Besonders anfällig für pilzähnliches Wachstum sind Stabsstellen. Um nicht missverstanden zu werden: Viele der Experten in Rechts- und IT-Abteilungen, Marktforschung, Unternehmensplanung oder Controlling leisten hervorragende Arbeit. Ungut ist es nur, wenn aus Dienstleistungsangeboten unreflektierte Ansprüche erwachsen. Beispiel: Ein Produktmanager beantragt ein sechsstelliges Budget für eine Marktforschungsstudie, um die Zielgruppe seines Produktes »besser kennenzulernen«. Andreas Krebs empfiehlt jedem Produktmanager, stattdessen erst einmal ein paar Tage mit dem Außendienst zu reisen. Danach ist die Studie meist überflüssig.
Ein anderes Beispiel, das wir erlebt haben: Der neue CEO eines DAX-Unternehmens stellt zwei persönliche Controller ein. Bald darauf meldet der für Marketing und Verkauf zuständige Vorstand ebenfalls Bedarf an, schließlich hat auch er »viele Zahlen«. Das wollen die übrigen Vorstände nicht auf sich sitzen lassen und argumentieren ebenfalls für einen eigenen Stab. Am Ende gibt es ein Dutzend Controller, die natürlich alle fleißig Analysen erstellen, für die sie Zahlen anfordern, was andere Mitarbeiter Zeit kostet und vom operativen Geschäft abhält. Anschließend werden Papiere versendet, zu denen es wiederum Rückfragen und Ergänzungen gibt. Es dauert nicht lange, und jeder Controller braucht dringend einen Assistenten – siehe Parkinson. Und ob diese ganzen Controller an den Obercontroller berichten sollen oder doch an den jeweiligen Bereichsmanager, und das mit »dotted« oder »solid Line« (in fachlicher und / oder disziplinarischer Berichtslinie), da muss dann wiederum Human Resources gefragt werden. Wettbewerber des Unternehmens können sich über so viel Beschäftigung mit sich selber nur freuen!
Die Autoren
Andreas Krebs ist Unternehmer, international erfahrener Manager sowie Referent zu Leadership, Globalization und Entrepreneurship. Als einer von wenigen Deutschen hat er es in einem „Big Pharma“-Konzern in das Executive Board und „Corporate America“ geschafft. Andreas Krebs ist Mitinhaber des Venture-Capital-Unternehmens Cologne Invest, das in junge Start-ups und Wachstumsunternehmen in vielen Branchen und der New Economy investiert. Bis 2010 hat Andreas Krebs in internationalen Führungspositionen für die Bayer AG und die Wyeth Corporation gearbeitet, zuletzt als Konzernvorstand in den USA, mit über 8000 Mitarbeitern in 96 Ländern. Er war in sieben Ländern tätig, in UK, Österreich, neun Jahre in Lateinamerika, in Asien, Canada und zuletzt in den USA. Seit 2010 ist Andreas Krebs Aufsichtsratsvorsitzender der Merz GmbH & Co. KGaA, Frankfurt, und hat weitere Beirats- und Aufsichtsratsmandate in unterschiedlichen Branchen inne. Er ist Vorsitzender des Fördervereins Girassol e.V., der sich für minderbemittelte Kinder und Jugendliche in Sao Paulo/Brasilien engagiert.
Paul Williams ist Unternehmer, international erfahrener Manager und Coach. Seit 2003 führt er als Managing Partner das Beratungsunternehmen paul williams & associates in Monheim am Rhein, mit den Schwerpunkten Leadership Coaching, Selbstmanagement, Management-Diagnostik und Organisationsentwicklung.
Für die Bayer AG war der Naturwissenschaftler und gebürtige Engländer im internationalen Vertrieb, im Marketing und im General Management in Australasien, den USA, Nahost und Afrika tätig. Ab 1995 war Paul Williams weltweit mit Human-Resources-Verantwortung betraut, unter anderem in den Bereichen Vertrieb International, Globale Forschung und Produktentwicklung.