"4 Wege zu mehr Selbstführung" von Debora Karsch und Günter F. Müller

Was wir fühlen, entscheidet darüber, ob wir etwas schnell oder zurückhaltend angehen, ob wir Angst oder Zuversicht erleben, freundlich oder abweisend reagieren. Positive, leistungsfördernde Emotionen sind DER Umsetzungsturbo für unsere Vorhaben. In „4 Wege zu mehr Selbstführung“ bringen Debora Karsch und Günter F. Müller auf den Punkt, wie wir unsere Gefühle regulieren und unsere emotionale Selbstführung verbessern. Lernen Sie jetzt einen der vier Wege – Denken, Fühlen, Handeln und körperliche Energie – zu mehr Selbstführung kennen: den Weg über unser Fühlen.

Die Fühlen-Strategie: Emotionen regulieren

Stellen Sie sich vor, es ist 8 Uhr morgens. Sie sind gut drauf, setzen sich mit einem Kaffee an Ihren Arbeitsplatz und wollen tatkräftig in den Tag starten. Ihr „anstrengender“ Kollege erzählt Ihnen, warum und wie er gestern ein Problem gelöst hat, das eigentlich Sie hätten lösen müssen. Sie merken, dass Sie nicht mehr so entspannt sind. Sie pressen die Lippen zusammen, verkneifen sich einen Kommentar, werden unruhiger. Obwohl es im Deutschen über 150 Adjektive für Gefühlsregungen gibt, ist es gar nicht so leicht, präzise zu beschreiben, was Sie fühlen. Das wiederum wäre allerdings die erste Voraussetzung dafür, Ihre Emotionen regulieren zu können.

Wie schätzen Sie Ihre aktuelle Kompetenz ein, Emotionen zu regulieren?

Lesen Sie die Beschreibungen der drei Kompetenz-Niveaus durch und kreuzen Sie an, wie Sie sich einschätzen. Eine Orientierung gibt Ihnen Ihr Testergebnis von Seite 29.

Wie entstehen Emotionen?

Emotionen entstehen durch körperliche Erregung und kognitive Prozesse. Jede Situation, jedes Ereignis löst bei uns physiologische Erregungszustände (wie Pulsbeschleunigung, Schwitzen oder Ähnliches) aus. Daraufhin versuchen wir, die Ursache für dieses körperliche Geschehen ausfindig zu machen und es auf die subjektive Erklärung der Situation zurückzuführen, zum Beispiel: „Ich bin angespannt, weil ich die Situation für gefährlich halte.“ In diesem Fall erleben wir Angst.

Entscheidend ist jedoch, dass jeder Mensch selbst Einfluss darauf nehmen kann, wie er seine Gefühle interpretiert. Viele emotionale Reaktionen sind bereits fest etablierte Muster, die sich über Jahre verfestigt haben und fast automatisch getriggert werden. So bekommt jeder im Laufe der Jahre seine persönlichen „Trigger“. Vielleicht kennen Sie das: Durch ein paar Worte oder ein nonverbales Signal werden ganze emotionale Ketten der unangenehmen Art ausgelöst. Diese gilt es zu durchbrechen.

Gefühle und körperliche Reaktionen sind untrennbar verbunden

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass mimische, gestische und körperliche Ausdrucksformen Einfluss auf Emotionen haben. Zum Beispiel kann eine Körperhaltung mit hängendem Kopf, hängenden Schultern und gesenkten Mundwinkeln dafür sorgen, dass Sie einen traurigen Moment viel intensiver erleben. Dagegen werden Sie sich in dieser Körperhaltung kaum stark und souverän fühlen können. Bestimmte Körperhaltungen können Gefühle verstärken oder abschwächen. Herabgezogene Mundwinkel, zusammengezogene Augenbrauen, eine geballte Faust oder eine angespannte Sitzhaltung können Ärger, Stress und Trauer verstärken. Breitgezogene Mundwinkel, eine offene, aufrechte Haltung und entspannte Muskeln können eine gute Stimmung verstärken. Wichtig ist, dass Sie in der Lage sind, Ihre eigenen Körperreaktionen zuverlässig wahrzunehmen und richtig zu interpretieren.

Durch bewusste Gefühlssteuerung steigern Sie Ihre Selbstführung

Stellen Sie sich immer wieder die Fragen: Was verursacht welche negativen Gefühle bei mir? In welchen Situationen? Wie zeigt es sich körperlich? Es ist wichtig, emotional sensibel zu sein, um eigene Gefühlsregungen unterscheiden zu können. So gewinnen Sie an Einfluss und Kontrolle. Wenn Sie auf dem Weg zum Ziel unerwünschte Gefühle erleben, können Sie sich selbst führen und diese verändern.

Vier entscheidende Methoden für eine zielfördernde Emotionssteuerung

1. Embodiment: Fühlen Sie Ihren Erfolg auch körperlich

Wenn Sie feststellen, dass Sie in einer Situation öfter nicht das tun, was Sie tun möchten, dann kann das daran liegen, dass Ihr Körper und Ihr Geist unterschiedliche Dinge wollen. Bei der emotionalen Selbstführung spielt der Körper eine entscheidende Rolle. Vor allem die Körperhaltung. Versuchen Sie einmal gebückt und nach unten gerichtet zu stehen und sich gleichzeitig zu sagen: „Ich bin richtig gut drauf!“ Das funktioniert nicht, weil Ihre Körperhaltung und Ihre Aussage nicht zusammenpassen.

Menschen können sich besser motivieren, schwierige Aufgaben zu lösen, wenn sie aufrecht und offen in ihrer Körperhaltung sind. Eine gekrümmte Körperhaltung signalisiert dem Bewusstsein negative Gefühle.

Angst und Entmutigung sind Gegenspieler Ihrer Ziele. Wenn Sie wissen, wie Ihr Gesichtsausdruck, Ihre Haltung und Ihre Stimme bei Erfolgserlebnissen aussehen, können Sie genau diese Posen in schwierigen Situationen abrufen. Sie nutzen also gezielt Ihren Körper, um sich in eine gute Stimmung zu bringen.

2. Nutzen Sie innere Selbstgespräche als positiven Booster

Jeder Mensch führt täglich zwischen 3000 und 5000 innere Selbstgespräche. Stellen Sie sich vor: Sie stehen vor einer neuen Aufgabe. Negative Gedanken, wie zum Beispiel „Das schaffe ich nie“, kreisen in Ihrem Kopf. Oder ein guter Bekannter läuft, ohne zu grüßen, auf der Straße an Ihnen vorbei, obwohl Sie sicher sind, dass er Sie gesehen hat. „Was ist denn in den gefahren?“, denken Sie jetzt. Und Sie ziehen den Schluss: „Der hat bestimmt was gegen mich“, oder: „Was habe ich ihm getan?“

Ziel ist es nun, diese Selbstgespräche überhaupt zu erkennen und dann ins Positive umzuwandeln. Zum Beispiel: „Ich habe es noch nie gemacht, aber ich schaffe das.

Positive Selbstgespräche unterstützen Sie dabei,

  • die bei der Zielsetzung und Zielumsetzung auftretenden, selbstabwertenden und handlungshindernden Gedanken und Emotionen zu kontrollieren,
  • Ihre Aufmerksamkeit bewusst in eine positive Richtung zu lenken und
  • Hindernisse bewusst wahrzunehmen und anders zu bewerten.

3. Gedankenstopp: Sagen Sie innerlich „Stopp!“, wenn Sie in Grübelschleifen feststecken

In schwierigen Situationen rasen uns oftmals Gedanken durch den Kopf, die uns die Lage negativ bewerten lassen. Wir sind weniger optimistisch, das Ziel zu erreichen, und geraten emotional und gedanklich in eine negative Spirale. Die Folge ist ein Tunnelblick. Es hilft, dieses Grübeln durch ein lautes „Stopp!“ zu unterbrechen und mit Selbstgesprächen nach positiveren Interpretationen zu suchen. „Stopp!“ ist kein Zauberwort, das negative Gedanken gänzlich verschwinden lässt. Doch es hilft Ihnen, systematisch Negativspiralen zu durchbrechen.

Wenn Sie in einer Negativspirale feststecken, schließen Sie die Augen und sagen Sie laut oder innerlich ganz klar: „Stopp!“ Seien Sie achtsam und konzentrieren Sie sich auf Ihre Gedanken, zum Beispiel: „Ich bin nicht gut genug.“ Nutzen Sie dann die positiven Selbstgespräche, um die Situation umzudeuten, zum Beispiel: „Ich bin nicht perfekt, und das ist auch gut so.“

4. Vogelperspektive: Lernen Sie, selbst zu bestimmen, welche Gefühle Sie wann, wo und wie ausdrücken möchten

Manche Situationen lassen Menschen fast automatisch ängstlich, traurig oder mutlos sein, ohne dass sie wissen, warum das so ist. Solche Automatismen sind im Laufe des Lebens erlernt worden. Diese gilt es nun wieder zu verlernen und durch andere, für die Situation besser geeignete Gefühlsreaktionen zu ersetzen. Spontane, negative Emotionen können Sie gezielt in eine positive Richtung steuern.

Gehen Sie regelmäßig in die Vogelperspektive. Sobald Sie von starken Emotionen überrollt werden, können Sie sich auch vorstellen, wie jemand anderes die Situation deuten würde. Überlegen Sie, welche Emotion Sie selbst gern zeigen möchten und wie Ihnen dies beim nächsten Mal gelingen könnte.

Zusammenfassung der Strategie „Emotionen regulieren“

Leistungsfördernde Emotionen beschleunigen die Realisierung Ihrer Vorhaben. Diese Emotionen unterstützen Sie dabei, die Anstrengung bei Ihren Vorhaben zu erhöhen und Ihr Handeln in die gewünschte Richtung zu lenken.

➜ Mit dieser Strategie verbessern Sie Ihre emotionale Selbstführung:

  • Sie übernehmen Eigenverantwortung für Ihre Gefühle.
  • Sie setzen sich mit unangenehmen Emotionen auseinander.
  • Es gelingt Ihnen, auch in schwierigen Situationen die Kontrolle zu behalten und sich weniger oft von Zweifeln leiten zu lassen.

Effektivitätstipps:

  • Betrachten Sie Emotionen regelmäßig aus einer anderen Perspektive. Fragen Sie sich: Was könnte es noch sein? Wie könnte ich es auch sehen?
  • Nutzen Sie Ihre Körperhaltung, um gezielt positive Emotionen abzurufen und negative abzumildern.
  • Visualisieren Sie gedanklich Ihr Ziel: Wie werden Sie sich fühlen? Wie werden Sie sich über den Erfolg freuen? Was wird dann anders sein? Warum lohnt sich die Anstrengung? Wie wird Ihr Umfeld reagieren?
  • Durchbrechen Sie frühzeitig plötzlich aufkommende negative Gedankenspiralen, sobald Sie merken, dass diese Sie in schlechte Laune versetzen.

Daran können Sie Ihre Kompetenz-Steigerung erkennen:

  • Sie lassen negative Emotionen zu, analysieren Sie genauer und können daraus hilfreiche Handlungsimpulse ableiten.
  • Negative emotionale Reaktionen auf unangenehme Situationen betrachten Sie als Zeichen, um genauer hinzuschauen, was bei Ihnen gerade los ist.
  • Sie können unangenehme Erlebnisse und Empfindungen relativieren, indem Sie sich aufmunternde Sätze zusprechen.
  • Sie beginnen, den Auslösern negativer Gefühle auf den Grund zu gehen und bewusst Einfluss darauf zu nehmen.

Debora Karsch

Debora Karsch ist als Tochter von persolog-Gründer Friedbert Gay praktisch mit dem Persönlichkeits-Modell aufgewachsen. Sie hat dadurch früh gelernt, wie man erfolgreich die eigenen Stärken nutzt und ausbaut. Seit über 15 Jahren hat sie Tausende von Menschen dabei begleitet, ihre Potenziale zu nutzen und so erfolgreicher zu werden.

Günter F. Müller

Günter F. Müller, Prof., Dr. phil., Dipl.-Psych., bis 2012 Professor für Sozial- und Arbeits-, Betriebs-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie am Fachbereich Psychologie der Universität in Landau. Seither freiberuflich tätig im Bereich wissenschaftlicher und bildungsbezogener Dienstleistungen. Test- und Trainingsmaterialien: Fragebogen zur Diagnose unternehmerischer Potenziale (F-DUPN), Landauer Organisations- und Teamklima-Inventar (LOTI), Landauer Selbstführungsanalyse (LASA).