"30 Minuten Wandel kommunizieren" von Prof. Dr. Veit Etzold
Viele Führungskräfte denken vielleicht, sie müssten keine gute Change-Story erzählen. Aber es gibt immer irgendeine Story: entweder die positive, die Leader eigentlich vermitteln wollen, oder aber die negative aus den Gerüchteküchen. Die gute Nachricht: Um die Hoheit über die Change-Story zu behalten, können Führungskräfte diese planen. Denn jede gute Geschichte folgt einem bestimmten Story-Code, dem Vierklang aus Situation, Desaster, Wendepunkt und Happy End. In 30 Minuten Wandel kommunizieren stellt Prof. Dr. Veit Etzold diesen Code ausführlich vor.
Bevor Sie eine Überzeugungsstory erzählen, in der Sie klarmachen, warum es sich lohnt, etwas zu ändern, können Sie, wie bereits erwähnt, eine Absenderstory über sich erzählen, die zeigt, warum gerade Sie glaubhaft sind. Auch dabei geht es um ein Hindernis, das Sie früher überwunden haben. Im folgenden Beispiel schauen wir uns den Weg von Arnold Schwarzenegger vom Bodybuilder zum Hollywoodstar an:
- Situation: Arnold Schwarzenegger wollte nach „Herkules in New York“ und „Conan the Barbarian“ auch einmal eine ernst zu nehmende Rolle spielen und sprach bei diversen Schauspielagenturen vor.
- Desaster: Doch leider war das Ergebnis ernüchternd: Auch wenn die Agenturen den Film „Conan“ durchaus gut fanden, sahen sie bei Schwarzenegger keine Hoffnungen auf eine ernst zu nehmende Schauspielkarriere. Er würde sich zum Beispiel viel zu hölzern und roboterhaft bewegen, war die Aussage. Eine Art von Bewegung, die vom Posing beim Bodybuilding herrührte.
- Wendepunkt: In dieser Zeit allerdings suchte James Cameron nach einem Hauptdarsteller für seinen Film „The Terminator“, bei dem es um eine Maschine aus der Zukunft ging, die wie ein Mensch aussah. Durch Zufall stieß er auf Arnold Schwarzenegger.
- Happy End: Schwarzenegger war die perfekte Besetzung. Er, der sich als Mensch wie eine Maschine bewegte, spielte eine Maschine, die wie ein Mensch aussah. Und war schon „Conan“ ein erfolgreicher Film, gab „The Terminator“ den Startschuss für Schwarzeneggers Karriere als Hollywood-Superstar.
Merken Sie es? Es gibt in der Absendergeschichte immer einen Nachteil, aus dem ein Vorteil wird. Genauso wie es dann auch in der Überzeugungsstory geschieht. Es folgt ein weiteres Beispiel einer Absenderstory, diesmal über Amazon Web Services (AWS):
- Situation: Jeff Bezos musste Ende der 90er-Jahre eine riesige IT-Infrastruktur aufbauen, um den wachsenden Onlinehandel abzufertigen.
- Desaster: Besonders vor Weihnachten, wenn alle Kunden Geschenke bestellten, musste Amazon sehr viel mehr Infrastruktur bereitstellen, als es eigentlich für den Rest des Jahres brauchte.
- Wendepunkt: Weil damals bei Amazon aber das Geld knapp war, entschied sich Bezos, die IT-Struktur zu verleihen. Diese wurde während des Jahres viel gebucht, wurde aber zu Weihnachten, wenn alle im Urlaub waren, von den Kunden nicht benötigt, sodass sie Amazon zur Abwicklung des Weihnachtsgeschäfts zur Verfügung stand.
- Happy End: Heute ist AWS der Marktführer für Cloud-Computing und das Ausleihen von Speicherplatz.
Ähnliche Strukturen finden wir auch in sogenannten Gründungsstorys: Apple ist eines der wertvollsten Unternehmen der Welt und war damit lange Zeit auch eine Start-up-Story von Steve Jobs. Der Start in der Garage, die Verbannung aus dem Unternehmen in den 90er-Jahren, die biblische oder Odysseus-gleiche Rückkehr als verlorener Sohn und dann der Weg nach oben mit iPod, iPhone und iPad …
Ein anderes Beispiel ist die Geschichte der Hautcreme LA MER. Sie kostet 240 Euro. Der Raketenforscher Dr. Max Huber verbrannte sein Gesicht bei einem Treibstoffexperiment und entdeckte angeblich nach zwölf Jahren durch Zufall, dass bestimmte Algen seine Haut glätteten. Diese Stoffe kamen dann in seine Hautcreme. Es ist umstritten, ob diese Story hundertprozentig wahr ist. LA MER ist zwar teurer, aber sicher nicht besser als andere Cremes, doch die Story hat funktioniert. Generell gilt: Unser steinzeitliches Gehirn ist allen Menschen gegenüber misstrauisch, die etwas Schwieriges von uns verlangen, ohne bewiesen zu haben, dass sie selbst auch schon einmal die Kohlen aus dem Feuer geholt haben. Die Aussage dieses Kapitäns, der „noch nie in Schwierigkeiten war“, ist dafür exemplarisch: In all meiner Erfahrung hatte ich niemals einen Unfall, der es wert wäre, darüber zu reden. Ich habe nur einmal ein Schiff in Gefahr gesehen in all meinen Jahren auf See. Ich sah niemals ein Wrack, ging niemals mit einem Schiff unter und habe niemals irgendein Desaster erlebt. Wer war dieser Schönwetterkapitän? Es war E. J. Smith, der Kapitän der RMS Titanic, im Jahr 1907. Seit dem Jahr 1912 steht nun die Frage im Raum, ob es eine gute Idee war, ihm die Führung der Titanic anzuvertrauen ... Ein weiteres Negativbeispiel zeigt uns George Clooney als Seth im Film „From Dusk till Dawn“ aus dem Jahr 1997. Eine andere Figur sagt zu ihm: „Sie erwarten von uns, dass wir cool bleiben, rasten aber selbst ständig aus. Das passt doch nicht zusammen.“ Seth entgegnet: „Passt schon. Ich habe ja nicht gesagt, tut, was ich tue, ich habe gesagt, tut, was ich sage.“
Fallbeispiel aus der Praxis
Nehmen wir an, eine große Beratung, wir nennen sie East Coast Consulting (ECC), hat sehr viele Großunternehmen in Deutschland beraten, muss aber jetzt in Norddeutschland auch Mittelständler als Kunden gewinnen. Aus Compliance-Gründen möchten die großen Konzerne den Berater wechseln. Die Berater von ECC müssen von diesem Wandel überzeugt werden. Es gibt zwei kleinere Wettbewerber in der Region. Wichtig ist den Kunden dort die Globalisierung – sie wollen einen Ansprechpartner, der weltweit aufgestellt ist – und die Digitalisierung. Anhand von Alternativen (A1, A2, A3) und einer Kriterienübersicht können sie alle wichtigen Aspekte unter einen Hut bringen. Die Kunden im Norden erwarten lokale Präsenz, globales und digitales Know-how und eine Affinität für den Mittelstand:
Es wird offensichtlich, dass nur ECC alles liefert, was den Kunden wichtig ist. Kleine Wettbewerber (WB klein) sind zwar vor Ort, aber nicht global und digital genug. Der große Wettbewerber von ECC (WB groß) ist zwar auch global, hält es aber nicht für nötig, Büros im Norden zu haben. Bevor Sie diese Story erzählen, müssen Sie natürlich sicher sein, dass Ihr Unternehmen auch tatsächlich all diese Kriterien erfüllt, ansonsten werden die Mitarbeiter die Idee zu Recht infrage stellen. Storytelling ist halt kein Fairytelling! Die Überzeugungsstory könnte also so aussehen:
- Situation: Wir bei East Coast Consulting waren in den letzten Jahren sehr erfolgreich bei großen DAX-Unternehmen in Deutschland.
- Desaster: Allerdings haben wir durch neue Prozesse im Einkauf unserer Kunden einige große Mandate verloren. Wir haben einige der DAX-Konzerne derart lange beraten, dass der Aufsichtsrat und der Einkauf dort aus Compliance-Gründen auf einen „Tapetenwechsel“ gedrungen haben. Damit sind wir gezwungen, uns auch andere potenzielle Kunden anzuschauen.
- Wendepunkt: Der Mittelstand kann für uns sehr interessant sein, besonders die Region Nord. Die Firmen dort sind fast genauso global und an Digitalisierung interessiert wie die DAX-Konzerne. Unser großer Wettbewerber ist zwar so global und digital wie wir, hat im Norden aber keine Büros. Die lokalen Beratungen haben zwar auch Mittelstands-Know-how, aber wenig Know-how in Digitalisierung und keine globale Abdeckung.
- Happy End: Durch unser globales Know-how zu Expansion und Digitalisierung sind wir die bestmögliche Beratung für den Mittelstand in der Region Nord. Lassen Sie uns loslegen!
Selbstverständlich wäre eine finale Story noch um einiges detaillierter und mit Beispielen gespickt. Dennoch ist es wichtig, nicht nur top-down eine Hauptstrategie zu verkünden, sondern diese an die einzelnen Profit-Center, in diesem Fall die Region Nord, anzupassen.
Der Autor
Prof. Dr. Veit Etzold, „der deutsche Dan Brown“ (Radio Bremen), versteht es, die Techniken einer spannenden Geschichte nahtlos in die Kommunikation von Individuen und Unternehmen zu übertragen. Nach einer Karriere als Manager in der Finanzbranche (Allianz), Unternehmensberatung (BCG) und in der Management-Ausbildung (ESMT, IESE) berät er heute zahlreiche DAX-Konzerne, Anwaltskanzleien, Banken, Strategieberatungen sowie Internetkonzerne, Venture-Capital-Funds, Start-up-Inkubatoren und Start-ups. Zudem lehrt Etzold Marketing, Vertrieb und Storytelling an der Hochschule Aalen, Baden-Württemberg und leitet das dortige Kompetenzzentrum für Neuromarketing. Doch Prof. Dr. Veit Etzold begeistert in Vorträgen aber nicht nur Führungskräfte und Unternehmer, sondern auf seinen zahlreichen Thriller-Lese-Events auch tausende von Krimi- und Thriller-Fans. Mit seinem Thriller "Final Cut" gelang ihm im Jahre 2012 der Durchbruch als einer der Top-Thriller-Autoren Deutschlands. Weitere Spiegel-Bestseller folgten. Sein Sachbuch "Strategie: Planen - erklären - umsetzen" gilt als Standardwerk.