"30 Minuten Nachhaltigkeit" von Dorothea Franziska Ernst

17 Nachhaltigkeitsziele haben die Vereinten Nationen erarbeitet. Sie wurden 2015 veröffentlicht und gelten bis 2030. Was konkret klingt, wird im realen Leben oft kompliziert. Wie setzen Unternehmen diese Ziele um? Kann ein Business gleichzeitig profitabel sein und zur nachhaltigen Entwicklung der Menschheit beitragen? Ist dies überhaupt die Rolle der Wirtschaft? Antworten auf diese Fragen lesen Sie in „30 Minuten Nachhaltigkeit“ von Dorothea Franziska Ernst und der folgenden Leseprobe zum „nachhaltigen Tagessgeschäft“ in Unternehmen.

Nachhaltiges Tagesgeschäft

Das Tagesgeschäft oder auch operative Geschäft umfasst sämtliche Unternehmensaktivitäten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erreichung des Unternehmenszwecks stehen. Es wird in verschiedenen Unternehmensfunktionen oder Abteilungen, z. B. Rechnungswesen und Controlling, Marketing, Vertrieb, Kundenservice, Einkauf, Produktion, IT-Administration, Personalwesen und Unternehmenskommunikation, arbeitsteilig gestaltet. Um effizient und ressourcenschonend zu agieren, folgen die meisten Unternehmen standardisierten Betriebsprozessen. Was muss sich ändern, um das Tagesgeschäft nicht nur finanziell, sondern im Sinne des Brundtland-Berichts und der SDGs nachhaltig zu gestalten?

Erfolgsmetrik

Das Ziel von Unternehmen ist es, mit den angebotenen Waren und Dienstleistungen die Bedürfnisse ihrer Kunden zu bedienen und damit Gewinne zu erzielen. Bislang hat sich der Erfolg eines Unternehmens im Wesentlichen an seiner Profitabilität orientiert. Dies wird sich ändern. Viele namhafte Unternehmensberatungen haben bereits vor einigen Jahren Studien veröffentlicht, in denen sie aufzeigen, wie Unternehmen in Zukunft zu gutem Wachstum beitragen können. Gutes Wachstum unterscheidet sich von schlechtem dadurch, dass

  • gleichzeitig ökonomische, ökologische und soziale Wertschöpfung stattfindet,
  • Externalitäten eingepreist werden (z. B. CO2-Steuer),
  • berücksichtig wird, dass viele Ressourcen der Natur (z. B. Mutterboden, Phosphor- und Stickstoffkreislauf) knapp und absolut nicht substituierbar sind.

Vertrieb und Kundenbetreuung

Vertrieb und Kundenbetreuung sind klassisch darauf ausgerichtet, auch die impliziten, das heißt die dem Kunden noch nicht bewussten Bedürfnisse zu erspüren und alles zu tun, um eine größtmögliche Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Der natürliche Gesprächspartner des Vertriebs ist der operative Einkauf. Der natürliche Gesprächspartner der Kundenbetreuung sind die Nutzer der Produkte in deren Tagesgeschäft. In vielen Unternehmen spielt das Thema Nachhaltigkeit in diesen Umfeldern noch keine bewusste Rolle. Folgende Fragen können helfen, die Kundenbeziehung noch weiter zu vertiefen:

  • Wie unterstützen wir unsere Kunden bereits heute darin, einen Beitrag zur Umsetzung der SDGs zu leisten?
  • Wie können wir unsere Kunden unterstützen, sich zu einem nachhaltigen Unternehmen zu entwickeln bzw. gemeinsam mit ihnen an der Umsetzung der SDGs arbeiten?

Manche Firmen suchen bereits bewusst nach Lieferanten, die achtsam und nachhaltig agieren. Um für diese erkennbar zu sein, sollten folgende Fragen beantwortet werden:

  • Wollen bzw. können wir uns über Nachhaltigkeit differenzieren?
  • Wenn ja: wie und warum?

Operativer Einkauf

Der operative Einkauf hat einen großen Einfluss auf die Versorgung des Unternehmens mit allen zur Wertschöpfung notwendigen Materialien und Dienstleistungen. Kostenmanagement ist ein zentrales Thema. Nimmt man das Thema Nachhaltigkeit ernst, müssen jedoch neben der Kostenoptimierung auch ökologische und soziale Kriterien zur Lieferantenwahl herangezogen werden. Neue Fragen für den Einkauf sind:

  • Entscheiden wir uns für die nachhaltigere Alternative, z. B. grüner Strom, Recyclingpapier?
  • Wie nachhaltig agieren unsere Lieferanten?
  • Könnten wir uns gemeinsam weiterentwickeln?
  • Sind wir bereit, uns von Lieferanten zu trennen, die nicht nachhaltig agieren?

(Digitale) Infrastruktur

Einen direkten Einfluss haben viele Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Infrastruktur. Konzerne haben beispielsweise durch die Wahl ihrer Stromversorgung, ihrer Gebäude oder ihres Fuhrparks große Veränderungshebel. Auch die Gestaltung der IT-Infrastruktur birgt großes Potenzial für nachhaltiges Handeln. Green IT befasst sich explizit mit der CO2-Optimierung. Dabei geht es um niedrigen Energieverbrauch, modulare Konzepte, ggf. Auslagerung von Rechenkapazität in größere, besser skalierbare Rechenzentren. Außerdem kann man den Zyklus, in dem Rechner modernisiert werden, sowie die Wahl der Standardsoftware kritisch hinterfragen. Die Art, wie die IT-Infrastruktur gewartet, neue Software eingeführt und auf Nutzerfragen reagiert wird, hat einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Weiterentwicklung der Mitarbeiter, also auf SDG 3 und 4.

Wohlbefinden der Mitarbeiter

Mitarbeiter, die sich wohlfühlen, sind bekanntermaßen ein wesentlicher Erfolgsfaktor in Unternehmen. Daher ist es sinnvoll, das Wohlergehen der Mitarbeiter in den Fokus zu stellen. In Zukunft wird es nicht mehr ausreichen, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Einige in der Praxis gelebte Beispiele für Aktivitäten, die das Wohlbefinden der Mitarbeiter fördern:

  • Möglichkeit zur Grippeschutzimpfung und ärztlicher Vorsorgeuntersuchung in der Firma
  • Sportangebote, bewegte Pause
  • E-Bike-Leasing
  • Bereitstellung höhenverstellbarer Schreibtische bei Indikation
  • Fort- und Weiterbildungsangebote inkl. Persönlichkeitsentwicklung
  • Kantine mit Bio- und vegetarischen Gerichten
  • Arbeitszeitmodelle, die die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf ermöglichen

Kommunikation

Tue Gutes und rede darüber! Dieses Motto lässt sich nur umsetzen, wenn es eine gute Transparenz über das unternehmerische Tun und seine Wirkungen gibt. Oft sind sich Unternehmen nicht bewusst, welche Wirkungen sie mit welchen Mitteln erzielen. Der Geschäftsbericht gibt zwar eine Übersicht über die finanziellen Kennzahlen eines Unternehmens, berichtet aber nicht über ökologische oder soziale Beiträge. Immer mehr Unternehmen veröffentlichen zu diesem Zweck Nachhaltigkeitsberichte. Für Konzerne ist dies mittlerweile eine Vorgabe. Nachhaltigkeit spielt zudem eine stetig wichtigere Rolle in der Positionierung von Unternehmen auf ihren Websites oder in Produktinformationen. Greenwashing, also reine Marketing- oder PR-Aktivitäten, die nicht durch unternehmerisches Handeln unterbaut sind, sollte jedoch in jedem Fall vermieden werden.

Eine sehr große Rolle spielt die interne Kommunikation mit einer authentisch gelebten Feedback-Kultur. Sie sollte den Mitarbeitern verdeutlichen, dass sich Nachhaltigkeit im Unternehmen nicht darauf beschränkt, weniger zu drucken oder Flüge durch Bahnreisen oder Videokonferenzen zu ersetzen, sondern dass meist der größte Hebel darin besteht, mit den eigenen Produkten die Kunden in ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten zu unterstützen

Lieferketten, Green IT, Feedback-Kultur – es gibt viele Möglichkeiten, das Tagesgeschäft in Organisationen nachhaltiger zu gestalten. Wer sich zudem mit nachhaltigen Innovationen, neuen Werkzeugen und Impulsen aus der gelebten Praxis beschäftigen will, findet mehr Infos im Ratgeber „30 Minuten Nachhaltigkeit“ von Dorothea Franziska Ernst.

Dorothea Franziska Ernst

Dr. Dorothea Ernst (Aachen) arbeitet mit Führungskräften und Teams, begleitet persönliche und organisationsinterne Transformationsprozesse und hält Vorträge. Sie ist Mitglied des Teams Health & Sustainability der INFORM in Aachen. Sie ist promovierte Physikerin und Mediatorin. 16 Jahre lang hat sie als Angestellte bei Philips Innovations- und Veränderungsprozesse mitgestaltet. Zwei wichtige Etappen waren die Mitarbeit an der Digitalisierung der Lichtindustrie sowie die Einführung von Nachhaltigkeit als Innovationskraft in den Gesamtkonzern. In beiden Aufgaben lernte sie, dass Menschen und ihre Ziele, Werte und Haltungen in Kombination mit kluger Nutzung von Technologie die wesentlichen Schlüssel zu Innovation und langfristigem, lebensbejahendem Erfolg sind.